«Wir müssen einen weiteren Genozid verhindern»

Der aserbaidschanisch-türkische Angriff auf Berg-Karabach bewegt auch die Armenier in der Schweiz. Am 8. Oktober 2020 versammelten sich rund 150 mehrheitlich jüngere Personen zu einer Kundgebung auf dem Zürcher Paradeplatz. CSI-Geschäftsführer Dr. John Eibner sprach den Teilnehmenden Mut zu.

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Die kreativ gestalteten Transparente der Kundgebung waren für die Passanten am Zürcher Paradeplatz nicht zu übersehen. Dem Organisator, der armenischen Gemeinde Zürich, war es jedoch noch wichtiger, dass die rund 150 Teilnehmenden die Öffentlichkeit mit der Botschaft der friedlichen Protestversammlung erreichen konnte.

Endziel: Komplette Vernichtung der Armenier

«Seit 12 Tagen wird unser Volk in Berg-Karabach von Aserbaidschan, der Türkei und Dschihadisten aus Syrien angegriffen», betont Petrosyan*, einer der verantwortlichen Organisatoren der Kundgebung. Dabei würden auch völkerrechtswidrige Massenvernichtungswaffen eingesetzt. Die internationale Gemeinschaft müsse wachgerüttelt werden. Denn wenn die Angriffe nicht gestoppt werden und Berg-Karabach von Aserbaidschan erobert wird, droht eine humanitäre Katastrophe. «Dann werden alle Armenier dort aus ihrer Heimat gewaltsam vertrieben», ist er überzeugt.

Zudem warnt er: «Das Endziel von Aserbaidschan und den Türken ist die komplette Vernichtung des armenischen Volks.» Vom Bundesrat erhofft sich Petrosyan, dass er eine klare Position für die bedrohten Armenier in Berg-Karabach bezieht und allenfalls auch Sanktionen gegen Aserbaidschan und der Türkei verhängt. Er freue sich, dass einige Schweizer Politiker sich besonders aktiv für die Armenier in Berg-Karabach einsetzen.

Genozid unbedingt verhindern

Zu den eingeladenen Ehrengästen der Kundgebung gehörte auch Dr. John Eibner. Der CSI-Geschäftsführer mahnte unmissverständlich: «Einen weiteren Genozid gegen die Armenier darf es auf keinen Fall geben! Wir müssen ihn verhindern.»  Eibner betonte, dass der Völkermord an den Armeniern nicht nur im Ersten Weltkrieg stattfand. Es handle sich vielmehr um einen «Prozess», der mit den weit verbreiteten Massakern an Armeniern in Anatolien Ende des 19. Jahrhunderts begann und mit der ethnischen Säuberungskampagne Aserbaidschans in Berg-Karabach in den 1990er Jahren fortgesetzt wurde. «Heute», sagte er, «beginnt dieser Prozess von neuem.»

Im Weiteren hob John Eibner die vorbildliche Rolle hervor, die Schweizer Missionare während des Völkermords im ersten Weltkrieg spielten. Er forderte die Schweiz auf, diese humanitäre Tradition mit drei Schritten zu ehren: Erstens müsse die humanitäre Hilfe zur Unterstützung der Vertriebenen und Verwundeten in Berg-Karabach beschleunigt werden. Zweitens sollten die verantwortlichen Politiker dafür sorgen, dass keine Schweizer Waffen den Weg zu den Aggressoren in diesem Konflikt finden.

Schliesslich forderte er die Schweiz auf, das Recht auf Selbstbestimmung der Bewohner von Berg Karabach anzuerkennen, so wie sie das Selbstbestimmungsrecht des kosovarischen Volkes anerkennt. Auch im umstrittenen Gebiet Kosovo war die Zivilbevölkerung Angriffen ausgesetzt.

Der CSI-Geschäftsführer sicherte den anwesenden Armeniern die Unterstützung und Solidarität von CSI zu. «Ich selbst besuchte Anfang der 90er Jahre mehrmals die Region Berg-Karabach. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie sehr das armenische Volk unter den Angriffen der Aserbaidschaner gelitten hat. Ich bin dankbar, dass CSI sich damals humanitär, aber auch politisch, für die Armenier in Berg-Karabach einsetzen konnte. Genauso könnt ihr euch auch jetzt unserer Unterstützung sicher sein», betonte Eibner, der für sein engagiertes Plädoyer viel Applaus erhielt.

«Gegen die Vernichtung von Armenien»

Philip Egger, Kaukasus-Experte und Senior Direktor von «Fondation des Fondateurs» lobte den Genfer Stadtrat für die Verurteilung der Aggression gegenüber Berg-Karabach vom 7. Oktober 2020. «Ich rufe die Politiker in der Schweiz und in allen anderen Ländern auf, sich gegen die Vernichtung der armenischen Nation zu stellen. Dem armenischen Volk müssen ein für allemal internationale Garantien für Sicherheit und Anerkennung gegeben werden», so Egger.

Passanten auf den Terror aufmerksam gemacht

Während der rund dreistündigen Kundgebung auf dem Paradeplatz verteilten die mehrheitlich jungen Teilnehmenden Info-Flyers zur Lage Berg-Karabach an die Passanten oder hielten offenkundig ein Transparent, das die Attacken von Aderbaidschan und der Türkei verurteilt.

Zu ihnen gehörte auch der Armenier Vahan Markarjan. «Ich möchte die Menschen in der Schweiz über den Terror informieren, den Aserbaidschan und die Türkei auf mein Volk ausüben. Für Aserbaidschan haben die Armenier in Berg-Karabach kein Existenzrecht», erklärt er. Die Aserbaidschaner wollen seiner Ansicht nach einfach das Territorium erobern, ohne Rücksicht auf Verluste. Von der Schweiz erhofft sich Markarjan diplomatische Unterstützung für die Armenier.

Auch Margarita Avanesova ist es ein grosses Anliegen, die Schweiz auf die terroristischen Attacken gegen ihr Heimatland aufmerksam zu machen. «Es besteht die Gefahr eines weiteren Genozids gegen die Armenier.» Diese beunruhigende Botschaft müsse ernst genommen werden.

Reto Baliarda, Joel Veldkamp

*Name geändert

 

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