«Die Regierung will die religiöse Vielfalt in Indien auslöschen»

Christen in Indien werden zusehends auch vom Staat bedrängt. Die Folge sind vermehrte Schliessungen von Kirchen, wie CSI-Partnerin Parul Singh erklärt. Auch in Tamil Nadu, der Heimat von Pastor William, ist das Christentum in Gefahr. Anlass zur Hoffnung gibt u.a. ein dort gegründetes Pastorenforum.

Pastor Mukunda mit seiner Familie. csi

CSI: Sind Sie über religiös motivierte Angriffe wie jenen auf Pastor William überrascht?

Parul Singh (Name geändert): Nein, den der Hass gegen Christen wird sogar von der indischen Regierungspartei geschürt. Sie hat bekannt gegeben, dass sie das Christentum und andere Minderheitsreligionen in Indien auslöschen will. Eine weitere besorgniserregende Gefahrenquelle sind die vielen Hassvideos von arbeitslosen Hindu-Jugendlichen, die in den sozialen Medien kursieren. Auch die Brahmanen (Hindu-Priester) sind daran interessiert, das Christentum auszumerzen.

Ist dieser zunehmende Radikalismus auch in Tamil Nadu zu spüren?

Ja, dort ganz besonders. Selbst in christlichen Dörfern sieht man dort häufig eine hinduistische Safran-Flagge. Wer sie entfernt, ist seines Lebens nicht mehr sicher.

Im Fall von Pastor William haben Sie bislang vergeblich versucht, bei der Polizei eine Anzeige zu erstatten.

Ja, und leider brauchen die zuständigen Polizisten aufgrund ihrer Untätigkeit wohl nicht viel zu befürchten. Denn mittlerweile werden Christen auch zunehmend vom Staat bedrängt. Vor allem die Covid-Krise hat den christenfeindlichen Stimmen in die Hände gespielt, um Kirchen länger als die Hindu-Tempel geschlossen zu halten. Kommt dazu, dass Christen von der Covid-Hilfe oft ausgeschlossen wurden. Nicht wenige gaben aus dieser Not heraus ihren Glauben auf.

Gleichzeitig schnellten die Preise für die oft gepachteten Grundstücke in die Höhe, sodass viele Kirchen ihre Aktivitäten einstellen mussten.

Wie haben Sie auf diese Entwicklung reagiert?

Wann immer möglich setzen wir uns rechtlich für die Kirchgemeinden ein. Mit Hilfe von CSI konnten wir zudem vielen notleidenden Pastoren ein Schulungsprogramm wie die Reparatur von Mobiltelefonen anbieten. Frauen lernten u.a., Seife herzustellen, um diese zu verkaufen.

Sie haben vor Jahren in Tamil Nadu ein Pastorenforum gegründet. Wie läuft die Zusammenarbeit?

Sehr gut. Das Rechtsforum für Kirchen in Tamil Nadu setzt sich aktiv dafür ein, Pastoren von kleinen ländlichen Kirchen zu vernetzen. Mittlerweile gehören 55 Pastoren dem Forum an. Von den rund 5000 lokalen Kirchgemeinden in Tamil Nadu schliessen sich immer mehr dem Netzwerk an. Wir sind CSI dankbar. Ohne deren Hilfe gäbe es dieses Forum nicht und die Pastoren wären auf sich allein gestellt.

Die grösste Herausforderung des Forums ist derzeit der Druck der lokalen Behörden. Wir sind in diversen Rechtsfällen involviert, damit die Kirchen nicht schliessen müssen.

Sie engagieren sich unermüdlich für die Christen in Indien, besonders auch in Tamil Nadu.

Es ist mir wichtig, dass wir gerade in Tamil Nadu das christliche Erbe bewahren können. Das Christentum in Indien hat seinen Ursprung in Tamil Nadu, weil der Apostel Thomas dorthin kam. Das Christentum florierte jahrhundertelang in Tamil Nadu, davon zeugen auch die vielen Kirchen in Chennai.

Angegriffener Pastor umgezogen

Im November 2018 besuchten zwei Mitarbeitende von CSI-Schweiz in Tamil Nadu die Familie von Pastor Mukunda (Name geändert). Sie lebt in einem Dorf zirka 80 Kilometer südlich der Grossstadt Chennai und wurde einige Monate vor dem Besuch von Hindu-Extremisten heftig angegriffen. Dies, weil sie sich geweigert hatte, ein Hindu-Festival finanziell zu unterstützen. Die Familie ist innerhalb ihres Dorfes umgezogen und lebt weiterhin in Angst vor neuen Übergriffen. Aus Sicherheitsgründen hat Pastor Mukunda seine Kirche an einem neuen Standort am Rande des Dorfes errichtet. Die tapfere Familie bittet weiterhin um Gebete.

Interview: Reto Baliarda

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