02. Juni 2017

Ein Land kämpft gegen den zunehmenden Extremismus

Bis vor einigen Jahren galt Bangladesch als muslimischer Staat, in dem andere Religionsgemeinschaften respektiert werden. Doch gegenwärtig breitet sich der islamische Extremismus zusehends aus. Engagierte Christen wie Pastor Shamim Dewan sind ihres Lebens nicht mehr sicher.

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Obwohl sie mit knapp einem Prozent eine kleine Minderheit ausmachen, konnten Christen in Bangladesch bis vor kurzem ihren Glauben frei ausüben, erklärt Shamim Dewan* bei einem Treffen mit CSI in Delhi. «Angefeindet werden wir seit dem Irakkrieg von 2003. Doch die ersten Übergriffe gegen uns begannen vor etwa fünf Jahren.»

Einer der ersten Angriffe hatte sich 2013 ereignet, als Islamisten Granaten auf eine voll besetzte Kirche warfen. Neun Personen wurden dabei verletzt. Die alarmierte Polizei spielte den Anschlag herunter und sprach von einer «gewalttätigen Personengruppe».

Zwei Jahre später verübten Islamisten den ersten tödlichen Anschlag auf Christen, bei dem fünf Menschen, darunter drei Pastoren, ums Leben kamen. Solche Schreckenstaten rütteln Dewan auf. Er besuchte alle Hinterbliebenen der Opfer, unterstützte sie mit einem Geldbetrag und machte die Anschläge publik.

Drohung islamistischer Fanatiker

Mehrmals trat der Pastor im nationalen Fernsehen auf und verurteilte die Attentate jeweils aufs Schärfste. «Das gefällt den Islamisten nicht. Deshalb wollen sie mich zum Schweigen bringen», spricht er seine bedrohliche Lage an. Mitte 2015 erhielt er den ersten Drohanruf aus Malaysia. Richtig brenzlig wurde es für ihn Ende 2015, als er sich nach einem Fernsehauftritt auf dem Heimweg befand. Unterwegs wollten ihn zwölf Männer abfangen und attackieren. «Ich hatte Glück, dass auf der anderen Straßenseite die Polizei auftauchte und die Männer im letzten Moment verjagen konnte.»

Gefährlich wurde es für Dewan auch, als er am letztjährigen Ostersonntag einen Freiluft-Gottesdienst abhielt. Plötzlich tauchten Islamisten auf und forderten den Pastor auf, den Gottesdienst abzubrechen. Da Dewan sich weigerte, begannen sie zu randalieren und beschädigten die Musikanlage. Mit viel Glück blieben er und die Besucher unverletzt. Doch die Angst vor weiteren Übergriffen sitzt tief.

Zudem reißen Drohungen gegen den mutigen Christen nicht ab. Im Juli letzten Jahres erhielt er einen Brief des Islamischen Staats, er solle Bangladesch verlassen, andernfalls würde man ihn töten. Zu jener Zeit geschah der Anschlag auf ein Restaurant im Diplomatenviertel der Hauptstadt Dhaka, bei dem 22 Menschen ausländischer Herkunft starben.

Islamisten haben es auf religiöse Minderheiten wie auch auf moderate Muslime abgesehen. Ihnen werfen sie vor, gegen den Islam zu sein oder eine falsche Lehre zu verbreiten. Wiederholt wurden außerdem säkulare Blogger brutal ermordet oder Sufi-Muslime angegriffen, die einen mystischen Islam praktizieren.

Extremisten nutzen die Armut schamlos aus

Religiöse Extremisten haben keine Probleme, Kämpfer zu rekrutieren. «Von den 150 Millionen Einwohnern in Bangladesch leben 130 Millionen in Armut. Der IS bietet armen Eltern Geld an, wenn sie ihren Sohn in den Dschihad ziehen lassen», erläutert Dewan das Dilemma. So habe der IS bereits hunderte junger Männer aus Bangladesch angelockt. Und dass in Bangladesch viele Angehörige kleiner Ethnien wie die Santals zum christlichen Glauben gekommen seien, hat den religiösen Hass der Islamisten auf die Minderheiten noch zusätzlich befeuert.

Unter den religiösen Minderheiten in Bangladesch seien die Christen, so Dewan, am schwächsten geschützt. Während sich bei den Angriffen auf Hindus oder überwiegend chinesische Buddhisten die indische bzw. chinesische Botschaft einschalte, gebe es bei den Christen keine internationalen Fürsprecher. «Der Westen hilft den Christen in Bangladesch nicht», konstatiert Dewan. Umgekehrt müssten die Christen in Bangladesch für alle Entscheidungen der westlichen Politik büßen, die sich scheinbar oder tatsächlich negativ auf die Muslime auswirken.

Einsatz für schutzlose Frauen

Die Christen versuchen, in der Öffentlichkeit nicht aufzufallen. Dies gilt auch für Dewan, der mit seiner von CSI mitunterstützten Organisation auch jungen Frauen hilft, die vergewaltigt wurden und daher von der Gesellschaft ausgestoßen sind. Sie leben an einem geschützten Ort, wo sie eine mehrmonatige Ausbildung als Schneiderin absolvieren. «Danach arbeiten sie in einer Kleiderfabrik, die verpflichtet ist, ihnen einen Mindestlohn zu bezahlen», erklärt der Pastor. Die meisten dieser Frauen seien Christen und Hindus. Vereinzelt hat es auch Muslime.

In Zusammenarbeit mit CSI konnte Dewan zudem veranlassen, dass eine Schule für ethnische Minderheiten letztes Jahr renoviert und wieder instand gestellt wurde. Gegenwärtig besuchen 98 Schüler diese Schule. Im Areal der Schule wurde ferner ein kleines Waisenheim für Mädchen errichtet.

Familie lebt im Ausland

Bei all seinem Einsatz für die religiösen Minderheiten muss Shamim Dewan ständig auf der Hut sein. Nicht nur er selbst wird vom Islamischen Staat in Bangladesch verfolgt, sondern auch seine Frau und die zwei Kinder. Zu ihrem Schutz hat Dewans Familie Bangladesch verlassen und lebt an einem geheimen Ort.

 

 Reto Baliarda

 

* Name geändert

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