23. April 2018

Sanktionen: Appell an Bundesrat

Der Bundesrat soll überprüfen, ob die syrische Zivilbevölkerung vor den Sanktionen geschützt ist. Der Walliser SP-Nationalrat Mathias Reynard hat ein entsprechendes Postulat eingereicht, das parteiübergreifend von 14 Nationalratsmitgliedern mitunterzeichnet wurde. CSI unterstützt das Anliegen.

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Update: CSI hatte zum Appell an den Bundesrat aufgerufen. Am 9. Mai 2018 hat der Bundesrat seine Stellungnahme zum Postulat veröffentlicht – er beantragt Ablehnung. In der Folge haben wir die Unterschreibmöglichkeit deaktiviert. Zur enttäuschenden Haltung des Bundesrats hat CSI am 18. Mai 2018 eine Medienmitteilung verschickt: UNO: Syrien-Sanktionen haben «verheerende Folgen» für die Zivilbevölkerung – Bundesrat lehnt Überprüfung ab.


Nationalratsmitglieder zu den Sanktionen gegen Syrien

Mathias Reynard (SP): «Es liegt in unserer Verantwortung, sicherzustellen, dass sich die Sanktionen nicht gegen die Zivilbevölkerung in Syrien richten. Sie leidet schon genug unter der schrecklichen Situation.»

Doris Fiala (FDP): «Wenn unter den Sanktionen gegen Syrien die Zivilbevölkerung leidet, muss die Sanktionspolitik hart und umfassend hinterfragt werden!»

Lukas Reimann (SVP): «Indem die Schweiz sich den EU-Sanktionen einfach anschließt, wird sie mitverantwortlich für negative Folgen auf die Zivilbevölkerung. Sanktionen ohne UNO-Mandat verstoßen gegen unsere Neutralität. Die Sanktionen treffen nicht das Militär, sondern die Zivilbevölkerung.»

Marianne Streiff-Feller (EVP): «Die Schweiz hat als Depositarstaat der Genfer Konventionen eine besondere humanitäre Verantwortung und muss unbedingt sicherstellen, dass die internationalen Sanktionen gegen Syrien nicht die Falschen treffen.» 


Kurz nachdem die USA, ihre NATO-Partner und andere Staaten im Jahr 2011 Sanktionen gegen Syrien verhängt hatten – ohne Beschluss des UNO-Sicherheitsrats –, schloss sich die Schweiz an. Der damalige Präsident Barack Obama bezeichnete die Sanktionen als Mittel, um in Damaskus einen Regierungswechsel herbeizuführen. Die kollektiven Zwangsmaßnahmen wurden laufend verschärft und sind heute so umfassend, dass sie ganze Wirtschaftssektoren lahmlegen. Der Entscheid des Bundesrats, sich den Sanktionen anzuschließen, stellt zwei traditionelle Pfeiler der schweizerischen Aussenpolitik in Frage: die Neutralität und die Förderung der Genfer Konventionen (Grundlagendokumente des humanitären Völkerrechts, die in der Schweiz hinterlegt sind.)

Sanktionen treffen Zivilisten

Die Sanktionen gegen Syrien haben ihr politisches Ziel nicht erreicht und haben stattdessen katastrophale Folgen für die Zivilbevölkerung. Sie haben zum Kollaps der syrischen Volkswirtschaft beigetragen, was zu Massenarbeitslosigkeit, grassierender Inflation und weitverbreiteter Armut führte. Zwar sehen die Schweiz und die anderen sanktionierenden Staaten humanitäre Ausnahmeregelungen vor. Trotzdem ist wegen der Sanktionen gegen den internationalen Zahlungsverkehr – und insbesondere der Angst vor Gerichtsfällen in den USA und hohen Bußen – selbst der Import von lebensnotwendigen Medikamenten und medizinischer Ausrüstung behindert. Verschiedene Banken haben CSI gegenüber bestätigt, dass sie den gesamten Zahlungsverkehr mit Syrien eingestellt haben.

Sanktionen töten indirekt

Dr. John Eibner, der CSI-Projektverantwortliche für den Nahen Osten, zieht nach unzähligen Begegnungen mit Opfern in Syrien das Fazit: «Wirtschaftssanktionen töten, behindern die Bereitstellung von überlebenswichtigen Sozialleistungen und fördern die Massenemigration nach Europa genauso, wie es auch Schüsse, Bomben und Raketen tun. Sanktionen sind Kriegswaffen.»

Auch der damalige Bundespräsident Johann Schneider-Ammann bestätigte in einem Brief vom 31. Januar 2017 an CSI, dass die Sank­tionen negative Konsequenzen für die Zivilbevölkerung haben. Hohe Kirchenführer machten wiederholt darauf aufmerksam, welche Leiden das syrische Volk – ohne Unterschied von Religion, Ethnie oder Geschlecht – wegen der Sanktionen auf sich nehmen muss. Zum Beispiel forderten im August 2016 drei Patriarchen mit einem eindringlichen Hilfeschrei einmütig die sofortige Aufhebung der Sanktionen gegen Syrien.

Kollektivstrafen gegen die Zivilbevölkerung wegen der Straftaten ihrer Regierung sind gemäß der Genfer Konventionen verboten.

Das Parlament wird aktiv

Vor einem Jahr stellte die damalige EVP-Nationalrätin Maja Ingold dem Bundesrat kritische Fragen zu den negativen humanitären Konsequenzen der Sanktionen und warf die Idee einer «systematischen periodischen Überprüfung der Sank­tionspolitik der Schweiz im Hinblick auf ihre humanitären Wirkungen auf die syrische Zivilbevölkerung» auf. Der Bundesrat sah keinen Handlungsbedarf und teilte mit, dass es «weder praktikabel noch sinnvoll» sei, die Auswirkungen der Schweizer Sanktionen isoliert zu betrachten.

In der Frühlingssession des Parlaments doppelte SP-Nationalrat Mathias Reynard nun mit einem Postulat nach. 14 Nationalratsmitglieder aus den vier großen Fraktionen haben mitunterzeichnet. Das Postulat «Smart Sanctions gegen die Urheber von Kriegsverbrechen in Syrien» gibt dem Bundesrat den Auftrag, zu überprüfen, ob die Sanktionen gegen Syrien tatsächlich die Regierung treffen und ob die Zivilbevölkerung vor negativen Folgen geschützt ist.

Bundesrat soll Postulat annehmen

CSI begrüsst die Einreichung des Postulats. Wir fordern den Bundesrat auf, zuhanden des Nationalrats die Annahme des Postulats zu beantragen. Als Depositarstaat der Genfer Konventionen hat die Schweiz eine besondere humanitäre Verpflichtung. Der Bundesrat soll die Initiative für eine breitangelegte, transparente Überprüfung ergreifen, um sicherzustellen, dass die internationalen Sanktionen nicht länger als Kollektivstrafe gegen die Zivilbevölkerung wirken.

Adrian Hartmann

Appelltext

Sehr geehrter Herr Bundesrat

Seit sieben Jahren sind Sanktionen gegen Syrien in Kraft. Die USA und ihre NATO-Partner haben sie ohne Beschluss des UNO-Sicherheitsrats verhängt. Andere Staaten folgten; die Schweiz hat die Sanktionen der EU übernommen.

Auf die Regierung in Syrien scheinen die Sanktionen bisher nicht die politisch beabsichtigte Wirkung zu haben. Dagegen leidet die syrische Zivilbevölkerung unter den Folgen der internationalen Sanktionen massiv.

Wir bitten Sie, das Postulat 18.3309 «Smart Sanctions gegen die Urheber von Kriegsverbrechen in Syrien» zur Annahme zu empfehlen und eine tiefgreifende, transparente Untersuchung der Auswirkungen der internationalen Sanktionen auf die syrische Zivilbevölkerung einzuleiten.

Hochachtungsvoll

Weitere Informationen

Postulat 18.3309 «Smart Sanctions gegen die Urheber von Kriegsverbrechen in Syrien»

Korrespondenz mit Bundesrat Schneider Ammann, Dezember 2016 und Januar 2017 (PDF)

Kirchenbote: «Die Sanktionen treffen vor allem die Zivilbevölkerung» (20.04.18)

Tages-Anzeiger: «Die Sanktionen verzögern den Wiederaufbau Syriens» (04.11.17)

Tages-Anzeiger: Absurdes beim Spenden (27.12.16)

Reuters: Syria sanctions indirectly hit children’s cancer treatment (15.03.17)

Middle East Eye: « Une prison géante » : comment les sanctions affectent les Syriens ordinaires – mais pas Assad (24.11.17)

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