
Die islamistische Gewalt breitet sich in ganz Nigeria aus, betont CSI-Afrika-Experte Franklyne Ogbunwezeh. Die Gefahr eines drohenden Bürgerkriegs müsse ernst genommen werden.
CSI: Im nigerianischen Fernsehsender «Linda Ikeji TV» sagten Sie, Sie hätten noch nie so viel Hass und Gewalt in Nigeria gesehen wie heute.
Franklyne Ogbunwezeh: Das ist so. Der Aufstand von Boko Haram hat den Nordosten destabilisiert. Auch in Zentralnigeria, wo Fulani-Islamisten Christen töten, ist die Angst allgegenwärtig. Im Südosten gibt es Bestrebungen zur Abspaltung, die in Gewalt ausgeartet sind. Gemäss diversen Berichten begehen die staatlichen Sicherheitskräfte dort Menschenrechtsverletzungen. Auch im Südwesten wollen sich Menschen von Nigeria abspalten. Überall werden Menschen für Lösegeld entführt.
In den Medien stacheln sich Stämme mit hasserfüllten Worten gegenseitig an. Wenn die Nigerianer keinen Weg finden, diesen Hass zu beenden, könnte ein Genozid bevorstehen. Auch dem Völkermord von 1994 in Ruanda ging eine jahrelange entwürdigende Rhetorik der Hutu gegenüber den Tutsi voraus. Ich sehe ernsthafte Spuren davon insbesondere auch in der nigerianischen Social-Media- und Cyberspace-Landschaft
Der Krieg in Ruanda war vorwiegend ein ethnischer Konflikt. Inwiefern hängt der islamistische Terror mit ethnischer Gewalt zusammen?
Der islamistische Terrorismus verschärft die ethnischen Konflikte. Viele Nigerianer haben das Vertrauen in die Regierung als Garant für ihre Sicherheit verloren. Und die Situation ist nicht nur für Nigeria gefährlich. Wenn Nigeria in eine Anarchie oder einen Bürgerkrieg implodiert, würde die gesamte westafrikanische Region in Flammen stehen. Das würde Flüchtlingswellen nach Europa auslösen.
Sind Sie nach Ihrer Reise pessimistischer geworden, was die Christen in Nigeria betrifft?
Als Afrikaner bin ich ein optimistischer Mensch. Trotz all des Leids, das ich in Nigeria gesehen habe, gibt es Grund zur Hoffnung. 70 Prozent der Nigerianer sind junge Menschen unter 30 Jahren. Ich glaube, dass sich mit einer guten politischen Führung die Potenziale dieser jungen Generation so entfalten könnten, dass sich Nigeria und andere afrikanische Staaten zu blühenden Ländern entwickeln würden.
An der Kundgebung «Verfolgung.jetzt» der Arbeitsgemeinschaft für Religionsfreiheit (AGR) der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA) berichtete Franklyne Ogbunwezeh am 21. August 2021 auf dem Berner Münsterplatz über das Leiden der nigerianischen Christen. In keinem Land würden annähernd so viele Christen getötet wie in Nigeria. Zu den vielen Todesopfern gehört leider auch Ogbunwezehs Schwester: «Sie starb durch einen Terroranschlag von Boko Haram», offenbarte er.
Hier erfahren Sie mehr über die Aktion in Bern.
Interview: Reto Baliarda
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