
Die Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung (FGM) ist in der ägyptischen Gesellschaft tief verwurzelt. Vor allem in den ländlichen Regionen Oberägyptens, in denen wir arbeiten, ist sie weit verbreitet. Auf Veranlassung unserer Partner vor Ort hilft CSI, um das Bewusstsein für dieses Thema in besonders betroffenen Gemeinschaften zu schärfen.
Der Anteil der Frauen, die sich einer Genitalverstümmelung unterziehen müssen, ist in Ägypten einer der höchsten der Welt. In den ländlichen Gebieten Oberägyptens ist sie fast allgegenwärtig. Ein landesweites Verbot dieser Praxis im Jahr 2008 hat vor Ort nur wenig Wirkung gezeigt.
«Es war schrecklich, ich dachte, ich würde sterben», erinnert sich eine junge Mutter, die sich im Teenageralter dem Eingriff unterziehen musste. «Ich habe immer noch Albträume. Als meine Tochter geboren wurde, habe ich geschworen, sie davor zu beschützen. Aber…», sie hält inne, ihr kommen die Tränen. «Aber meine Schwiegermutter nahm sie mit und tat es ohne meine Zustimmung.»
Seitdem arbeitet diese junge Frau unermüdlich in ihrer Gemeinschaft daran, die Mentalität zum Thema FGM zu verändern. Ich traf sie bei einem Frauengesprächskreis, einem Kernelement unseres Projekts zur Sensibilisierung für die Folgen von FGM. «Diese Gruppen bieten einen Ort, an dem Frauen offen über diese Themen sprechen und an dem wir sie mit Informationen versorgen können», sagt unsere Projektpartnerin.
Der gesellschaftliche Druck, Mädchen zu beschneiden, sei enorm, so die Projektpartnerin weiter. «Es wäre kontraproduktiv, die Entscheidungen zu verurteilen, die Frauen oder deren Familien getroffen haben. Deshalb legen wir viel Wert auf den Erfahrungsaustausch. Wenn sie von anderen Frauen hören, dass sie sich gegen die FGM entschieden haben, erfahren sie, dass es eine Alternative gibt.»
Frauen, die sich einer Genitalverstümmelung unterzogen haben (über 90 Prozent in Oberägypten), haben alle traumatische Erinnerungen an den Eingriff und leben täglich mit den Folgen.
Warum also wird die Praxis fortgesetzt? «Manche, ob Christen oder Muslime, glauben, dass es ein religiöses Gebot ist», erklärt unsere Partnerin. Aus diesem Grund arbeitet das Projektteam unter anderem mit den örtlichen Priestern zusammen, um diesen Irrtum aufzuklären.
Für viele Frauen ist die FGM jedoch eine Selbstverständlichkeit, um nicht ausgestossen zu werden. «Wir trafen eine Mutter mit drei Töchtern, deren älteste Tochter während des Eingriffs schwere Komplikationen erlitt», erinnert sich unsere Projektpartnerin. Sie erwartete, dass diese Frau sich weigern würde, ihre beiden anderen Töchter der FGM zu unterziehen. Doch weit gefehlt: «Sie sagte, dass sie auch ihre jüngeren Töchter beschneiden lassen würde. Schliesslich gäbe es im Dorf kein einziges Mädchen im Teenageralter, welches sich diesem Eingriff widersetzen würde.»
Wie viele andere Mütter war die betreffende Frau besorgt darüber, welche Folgen der Verzicht auf die Beschneidung für die Zukunft ihrer Töchter hätte. «Das Wort, mit dem FGM in dieser Gegend in Verbindung gebracht wird, ist <tahara>, was bedeutet», erklärt die CSI-Projektpartnerin. «Viele glauben daher, dass ein Mädchen, das sich nicht der Genitalverstümmelung unterzieht, unrein und für die Ehe nicht geeignet ist.»
Nachdem diese Frau von den Erfahrungen anderer Mütter gehört hatte, entschied sie sich schliesslich gegen den Eingriff an ihren beiden jüngeren Töchtern, gestärkt durch die Erkenntnis, dass sie nicht allein ist.
«Die Mentalität zu ändern ist ein langer und schwieriger Prozess. Es gibt so viele Fehlinformationen, und die Tradition ist ein so wichtiger Bestandteil des Dorflebens», bemerkt die Projektpartnerin. «Frauen, die ihre Töchter nicht der Genitalverstümmelung unterziehen lassen, haben sich ihren Gemeinschaften widersetzt und konnten nicht nur ihren Mann, sondern auch ihre Mutter und ihre Schwiegermutter überzeugen. Das sind sehr mutige Frauen, die ausserdem ihre Geschichte mit anderen Frauen über ein Thema teilen, das nach wie vor ein grosses Tabu ist», schliesst unsere Projektpartnerin und freut sich, dass sie solche Frauen, die ihre Gesellschaft tatsächlich verändern, unterstützen kann.
Projektleiterin Ägypten
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