
Kurz vor Beginn der Amtszeit des neuen, als moderat geltenden Präsidenten Hassan Rohani verurteilte ein Gericht in Shiraz vier Christen zu mehrjährigen Haftstrafen.
Im berüchtigten Ebrat-Block des Adel-Abad-Gefängnisses in Shiraz im Südwesten des Irans werden Gewissensgefangene festgehalten. Dort bekommen sie nur das Nötigste – frische Luft oder adäquate medizinische Betreuung gibt es nicht. Zu den Gefangenen gehört Vahid Hakkani, einer von sechs im Juni verurteilten Christen.
Verhaftet wurde Vahid Hakkani bereits im Februar 2012, einer Zeit, in der viele Razzien gegen Christen durchgeführt wurden. Hakkani nahm gerade an der Andacht einer Hauskirche in Shiraz teil, als die Polizei das Gebäude stürmte. Er wurde zusammen mit weiteren Gottesdienstbesuchern festgenommen, unter ihnen auch Mojtaba Seyyad-Alaedin Hossein, Mohammad-Reza Partoei und Homayoun Shokouhi. Mehr als ein Jahr saßen die Christen ohne ein Urteil im Gefängnis, die Zahlung einer Kaution wurde abgelehnt.
Das Verfahren, das in Abteilung 3 des Revolutionsgerichts in Shiraz unter dem Vorsitz des Richters Rashidi bereits seit Oktober 2012 läuft, wurde immer wieder willkürlich hinausgezögert. Die Anklage lautete auf «Gründung illegaler Vereinigungen, Besuch von Hauskirchengottesdiensten, Kontakte zu ausländischen Geistlichen, Propaganda gegen das Regime, Gefährdung der nationalen Sicherheit und Entweihung islamischer Heiliger durch Evangelisation.»
In der Untersuchungshaft wurden den Christen die grundlegendsten Menschenrechte vorenthalten. Teilweise wurden sie mit Handschellen und Fußketten zur Verhandlung gebracht – eine demütigende Behandlung, die normalerweise nur Mordverdächtige erfahren. Auch dringend nötige ärztliche Hilfe wurde ihnen versagt. Vahid Hakkani leidet an Darmblutungen und braucht dringend eine Operation. Die Behörden unternahmen aber monatelang nichts. Nach langem Hin und Her wird Hakkani jetzt wenigstens ärztlich untersucht – ob er je eine Operation bekommen wird, bleibt ungewiss. Ihre Familien durften die gefangenen Christen während der Untersuchungshaft nicht besuchen und wurden von den Anhörungen größtenteils ausgeschlossen. Auch auf sie wurde Druck ausgeübt. Shokouhis Frau Fariba Nazemian und ihr 17-jähriger Sohn Nima, die ebenfalls unter den Verhafteten waren, wurden bereits im Oktober 2012 zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt und gegen hohe Kautionszahlungen freigelassen.
Im Juni 2013 wurde schließlich das Urteil gesprochen: Partoei und Hakkani erhielten eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren. Shokouhi und Hossein müssen vier Jahre und zwei Monate absitzen – sie waren bereits 2008 wegen ihrer religiösen Aktivitäten auf Bewährung verurteilt worden. Die Gefangenen von Shiraz haben gegen das Urteil Berufung eingelegt – der Prozess geht also weiter.
Autor: Max-Peter Stüssi | Luise Fast
Quellen: Morning Star News | Mohabat News | International Religious Freedom Report
Politische Vorwürfe gegen Christen
Es ist unmöglich zu sagen, wie viele Christen es im Iran genau gibt, weil sich viele von ihnen verstecken müssen und ihren Glauben nicht offen praktizieren können. Schätzungen gehen von 300 000 bis 500 000 aus – nur ein Bruchteil der iranischen Bevölkerung von knapp 80 Millionen. Die meisten von ihnen gehören den traditionellen Kirchen der Armenier und Assyrer an, die von der Regierung als ethnische Gruppen betrachtet werden und weitgehend unbehelligt bleiben.
Evangelikale Gemeinden, die meist durch westliche Mission entstanden sind, werden dagegen stark unter Druck gesetzt. Ihnen wird vorgeworfen, Kontakte ins Ausland zu unterhalten und zu missionieren, was als «Gefährdung der nationalen Sicherheit» eingestuft wird. So kann der Schein gewahrt werden, Religionsfreiheit zu gewähren und Christen nur für politische Vergehen zu bestrafen.
Der UNO-Sonderberichterstatter für den Iran, Ahmed Shaheed schätzt, dass seit 2010 mehr als 300 Christen willkürlich verhaftet und festgehalten wurden.
Der Kampf der iranischen Behörden gegen die Hauskirchen ist systematisch und gezielt. Im März 2013 wurden jegliche Gottesdienste in persischer Sprache verboten, um die Ausbreitung des Christentums einzuschränken. Nach einer Red des Staatsoberhaupts Ayatollah Khamenei im Jahr 2010 in Qom, in der er die religiösen Minderheiten angriff, wurde der Druck auf die Christen stärker. Seither häufen sich die Razzien gegen die verbotenen Hauskirchen.
Als im Juni 2013 der als moderat geltende Hassan Rohani die Präsidentschaftswahlen gewann, keimte mancherorts die Hoffnung auf, dass sich die Menschenrechtslage verbessern wird. Nach acht Jahren unter dem Hardliner Mahmud Ahmadinedschad war Rohani der einzige Kandidat, der Reformen im Bereich der Menschenrechte versprochen hatte. Rohani hat in Großbritannien studiert und leitete als Chefunterhändler die Gespräche mit der EU über das iranische Atomprogramm. Er gibt sich gemäßigt – dennoch kann man vom neuen Präsidenten nicht allzuviel erwarten.
Die wirkliche Macht im Iran liegt beim Wächterrat, einem Gremium von islamischen Geistlichen und Rechtsgelehrten, und dem Staatsoberhaupt Ayatollah Khamenei, der die politischen und religiösen Angelegenheiten des Iran steuert. Ohne die Zustimmung des Wächterrats kann keiner zur Wahl antreten. Es gab bei den Präsidentschaftswahlen also keine wirkliche Wahl: Liberale Kandidaten wurden gar nicht erst zur Wahl zugelassen.
Ob sich unter der Präsidentschaft Hassan Rohanis die Situation der Christen überhaupt bessern kann, bleibt deshalb abzuwarten.
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