11. Dezember 2015

Hilfe für Rückkehrer in die einst besetzten Dörfer

Tausende assyrische Christen flohen im Februar 2015 aus ihren Dörfern am Chabur-Fluss vor der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Nach der Rückeroberung im Mai durch die Kurden wagen sich viele Familien in ihre Heimat zurück. Sie sind jedoch auf Hilfe angewiesen.

syr151101prv

Nach dem Genozid von 1915 in der Türkei hatten sich assyrische Christen zunächst in Semele im Irak am Fluss Chabur niedergelassen. Nachdem sich 1933 die Briten vom Irak zurückzogen, kam es auch dort zu einem Massaker, bei dem etwa 9000 Männer und Jugendliche erschossen wurden. Viele Überlebende flüchteten daraufhin unter dem Schutzmandat der Franzosen in den Nordosten Syriens, wo sie 34 Dörfer gründeten, die sich ebenfalls am Chabur dicht an dicht aneinanderreihen.

Ihre Nachkommen lebten in den Dörfern oder den nahe gelegenen Städten Hasaka und Qamischli. Sie verdienten den Lebensunterhalt durch die Landwirtschaft (Weizen, Roggen, Baumwolle, Gemüse und Früchte) oder arbeiteten als Angestellte in der öffentlichen Verwaltung, als Lehrer oder in einem Betrieb. Auch die Jugendlichen fühlten sich in der Region sicher und wohl.

Die IS-Terroristen kamen frühmorgens

Am 23. Februar 2015, also 100 Jahre nach dem Genozid in der Türkei, änderte sich die Lage der Assyrer in den Dörfern auf schlimmste Art. Barbaren des IS überfielen die Dörfer und richteten schreckliches Leid an. «Die IS-Terroristen kamen früh um vier, ausgerüstet mit Panzern, Minenwerfern, Scharfschützen und weiteren Schusswaffen. In Todesangst erlebten wir heftige Zusammenstösse bis um 9.30 Uhr, danach flohen wir nach Hasaka. Glücklicherweise überlebten wir alle diesen schrecklichen Angriff», erklärt ein Flüchtling aus dem Dorf Tel-Nasri.

In anderen Dörfern traf es die Bewohner schlimmer: Der IS nahm über 200 Assyrer in seine Gewalt. Mehrere Menschen, die ihre Dörfer verteidigten, wurden getötet. 1200 Familien flohen nach Hasaka und 160 Familien nach Qamischli.

Bereits einen Monat vor dem Angriff hatte der IS die Dorfbewohner terrorisiert und sie aufgefordert, sämtliche Kreuze zu entfernen.

Dörfer durch Kurden befreit

Kurdischen Kämpfern gelang es im Mai dieses Jahres, den IS von den Dörfern am Chabur zu vertreiben. Nun wagen viele Flüchtlinge zuhause einen Neuanfang. Gemäss assyrischen Hilfsorganisationen sind 620 Familien in ihre Dörfer zurückgekehrt. Viele stehen jedoch vor dem Nichts, da ihre Häuser geplündert und zum Teil auch verbrannt wurden. Autos und Landmaschinen wurden zerstört, die Nutztiere gestohlen. Selbst die Wasserversorgung blieb vom zerstörerischen Sadismus des IS nicht verschont.

CSI unterstützt Menschen in den Dörfern mit Lebensmittelpaketen. «Wir wollen ihnen zeigen, dass wir an sie denken und sie uns wichtig sind», betont John Eibner, CSI-Projektleiter für den Nahost.

Auch Flüchtlinge in Qamischli erhalten Nahrungsmittelhilfe. Dort hat sich die Anzahl der Flüchtlinge erhöht. Denn nach dem IS-Angriff auf Hasaka am 24. Juni 2015 sind 1300 Familien nach Qamischli geflüchtet.

Längerfristig soll den wieder zurückgekehrten Menschen eine Zukunft ermöglicht werden. «Unsere Priorität ist es, die Existenz unseres Volks im Gebiet zu erhalten», betont Edmon Gabriel von der Assyrian Aid Association, die im Auftrag von CSI die Lebensmittel verteilt. «Wir möchten dafür ein wirtschaftliches und soziales Umfeld schaffen, damit die Betroffenen ihr Land nicht verlassen.» Am 11. August dieses Jahres wurden 22 Geiseln freigelassen, die alt und krank sind.

Reto Baliarda fi

 


Menschenrechte in Nahost unterstützen

John Eibner, CSI-Projektleiter für den Nahen Osten, traf in Genf Erzbischof Tomasi, Vertreter des Vatikans bei den Vereinten Nationen (UNO). Im Zentrum der Begegnung stand die Frage, wie das Verschwinden der Christen aus dem Nahen Osten noch verhindert werden kann. Thematisiert wurde auch die vom Vatikan, Russland und dem Libanon lancierte Erklärung «Zur Unterstützung der Menschenrechte der Christen und anderer Gemeinschaften, insbesondere im Nahen Osten».

Die Erklärung wurde am 28. Treffen des UNO-Menschenrechtsrats vom 13. März 2015 in Genf präsentiert. Sie wurde von 64 Staaten unterschrieben, darunter auch von der Schweiz, Israel, Syrien und den USA. CSI unterstützt die Erklärung. Nicht unterschrieben wurde die Erklärung u.a. von der Türkei.

Am 8. September 2015 wurde in Paris der Aktionsplan zu dieser Erklärung vereinbart.


Weitere Berichte:

John Eibner im Interview über die religiöse Säuberung im Nahen Osten. 

John Eibner im Interview mit dem Tages-Anzeiger

Ihr Kommentar zum Artikel

Wir freuen uns, wenn Sie hierzu eine Rückmeldung oder Ergänzung haben. Themenfremde, beschimpfende oder respektlose Kommentare werden gelöscht.


The reCAPTCHA verification period has expired. Please reload the page.

Kommentar erfolgreich abgesendet.

Der Kommentar wurde erfolgreich abgesendet, sobald er von einem Administrator verifiziert wurde, wird er hier angezeigt.