
In Indien, der größten Demokratie der Welt, wird das Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichem Aufschwung und Verletzung der Religionsfreiheit immer größer. In dem wirtschaftlich aufsteigenden und multikulturellen Staat leiden Minderheiten verstärkt unter dem Hindu-Nationalismus.
Im März 2018 stürmten im Staat Uttar Pradesh über 20 Hinduextremisten in eine Kirche. Pastor Raj* und weitere Kirchenmitglieder waren gerade daran, die letzten Vorkehrungen für einen Taufanlass zu treffen, als wütende Hindus ins Kirchgebäude eindrangen. Die Hauptanschuldigung war: «Ihr lockt und zwingt Leute zur Bekehrung zu eurem christlichen Glauben». Daraufhin folgten brutale Schläge auf die Kirchenmitglieder. Besonders schwer traf es einen 25-jährigen Mann, der schwere Verletzungen am Kopf, im Gesicht, an den Ohren und Genitalien erlitt. Noch heute leidet er unter den Folgen der verheerenden Angriffe sehr.
Religiös motivierte Übergriffe wie jenen in Uttar Pradesh nehmen in Indien in erschreckendem Maße zu. Die Minderheiten leiden unter der erdrückenden Angst vor Angriffen und Mordanschlägen durch Hinduextremisten.
Doch diese religiös motivierten Attacken sind außerhalb von Indien kaum bekannt, was nicht ganz erstaunlich ist. Der indische Premierminister Narendra Modi gibt sich modern und genießt dank dem wirtschaftlichen Aufschwung, den Indien seit seiner Amtszeit erlebt, international immer mehr an Ansehen.
Doch der gleiche Modi duldet und schürt auch den Hinduextremismus. Am Weltwirtschaftsforum (WEF) im Februar dieses Jahres durfte er sogar die Eröffnungsansprache halten. Doch erstaunlicherweise hielt er die Ansprache nicht auf Englisch, sondern auf Hindi, als klare Botschaft seines hindunationalistischen Machtanspruchs. Dass aber wirtschaftlicher Fortschritt nicht zugleich gesellschaftlicher Fortschritt bedeutet, zeigen die Nachrichten über Angriffe auf Minderheiten, allem voran auf Muslime und Christen, die sich seit 2014 häufen. Offiziell gab es 2017 über 740 Übergriffe auf Minderheiten. Die Dunkelziffer ist jedoch viel höher. Dabei geht es zum großen Teil um körperlichen Angriff, bis hin zu Mord. Doch die Minderheiten leiden auch unter der Diskriminierung im Alltag und der großen Angst vor Angriffen.
«Nie weiß man, ob man auf der Straße, während dem Gottesdienst, im eigenen Haus oder während dem Schlaf in der Nacht überfallen wird. Wir leiden sehr unter der omnipräsenten Gefahr», so der Christ Amit*. Das Schlimme und Beängstigende dabei ist, dass die Polizei oft völlig inaktiv bleibt, nicht selten sogar die Opfer zu Tätern macht.
Die Partei der amtierenden Regierung, die Bharatiya Janata Partei (BJP) ist stark geprägt vom hinduistischen Gedankengut. Indienweit werden Stimmen immer lauter, dass in Indien bis 2021 nur noch Hindus leben sollten. BJP-Politiker werden im ganzen Land auf allen Stufen eingesetzt, um diese Ideologie in die Tat umzusetzen. Sie stacheln, besonders in ländlichen Gebieten, verschiedene kleinere extremistische Gruppierungen an, Minderheiten zu diskriminieren und anzugreifen. Oftmals erhalten diese Gruppen Alkohol, wodurch sie für einen Übergriff zusätzlich enthemmt werden.
Im Vorfeld der 2019 bevorstehenden Wahlen finden in diesem Jahr in ganz Indien Regionalwahlen statt. Dabei scheuen Politiker keinen Aufwand, um Wähler mit zum Teil leeren Versprechungen und Geschenken für sich zu gewinnen. Sogar in den beiden Staaten Nagaland und Meghalaya, in denen über 75 % Christen leben, setzen sie alles daran, christliche Wähler für sich zu gewinnen. So lockten die BJP-Politiker Christen mit einer Reise nach Jerusalem, von der jährlich 50 ausgewählte christliche Senioren profitieren würden.
Mit solchen Geschenken liessen sich viele Christen dazu verleiten, ihre eigenen «Gegner» zu wählen. Schlussendlich gewann in diesen Staaten die Partnerpartei der Hinduextremistischen BJP. Sie konnte dank Allianzen mit kleinen Parteien stark zulegen. In Nagaland ist sie nun gar an der Regierung beteiligt, und dies, obwohl dort rund 90 % der Bewohner Christen sind. «Es ist ein Schock für uns zu sehen, dass gerade in den Staaten, die für die Christen in ganz Indien eine gewisse Sicherheitsburg symbolisierten, nun die Hinduextremisten an die Macht kamen», so ein Pastor aus dem Gliedstaat Odisha.
Immer wieder hören wir die beeindruckenden Aussagen von Christen, die standhaft bleiben und sagen, dass sie in allem Leid Gottes unbeschreibliche Liebe und Treue erleben. Nichts sei mit ihm zu vergleichen. Der tiefe Wunsch, seine Liebe an die Mitmenschen weiterzugeben, ist größer als die Angst, alles zu verlieren oder gar zu sterben.
Projektleiterin Indien
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