Christen fliehen aus Angst in den Dschungel

Das Kandhamal-Trauma der Christen droht wieder aufzuflammen. Fünf Familien aus dem Dorf Ladamila mussten in den Dschungel fliehen, um bewaffneten Hindu-Extremisten zu entkommen. Sie können nicht mehr zurück. CSI leistet juristische Hilfe für die Vertriebenen.

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Die fünf betroffenen Familien stammen aus der Region Kandhamal im Bundesstaat Orissa. Vor fünf Jahren hatten die Familien, die alle der untersten Kaste der Unberührbaren angehören, den christlichen Glauben angenommen.

Sie sollten getötet werden

Das passte vielen Hindus aus dem Dorf Ladamila überhaupt nicht. Sie erzählten Mitgliedern der freiwilligen Hindunationalistischen ­Milizen, RSS und Bajrangdal, von der Konversion dieser Familien. Diese fackelten nicht lange. Eines Abends stürmten sie mit Gewehren und Schwertern auf die Wohnungen der Christen los, um sie zu töten.

Einer der bedrohten Christen erblickte den herannahenden Hindu-Mob gerade noch rechtzeitig und alarmierte die anderen Familien. In Todesangst liessen sie all ihr Hab und Gut zurück und flohen in den Dschungel. Als der zornige Hindu-Mob Ladamila erreichte und keinen der Christen fand, brannten sie deren Häuser nieder und zerstörten ihr Eigentum.

Die verjagten Familien flüchteten weiter ins Dorf Kurtamgarha. Dort fanden sie Unterschlupf im Haus von Pastor Birendra Baliarsingh. Sie hatten den Pastor bei einem Treffen mit der indischen CSI-Partnerorganisation kennengelernt. Gegenwärtig sind die fünf Familien in einem Haus provisorisch untergebracht.

Auf Hilfe angewiesen

Mit der Unterstützung von CSI-Partnerin Parul Singh (Name geändert) half Pastor Baliarsingh den Geflohenen, gegen die hinduextremistischen Angreifer Anzeige zu erstatten. «Der Fall liegt beim Bezirksrichter in Phulbani, dem Hauptort von Kandhamal. Doch bisher wurde keiner der Angreifer verhaftet», so Baliarsingh.

Die christlichen Familien fühlen sich in Kurtamgarha zwar einiger­massen sicher. Doch da es in der ­Nähe keine Schule gibt, müssen ihre insgesamt 17 Kinder mehrere Kilo­meter bis zu ihrer Schule laufen. ­Dabei begleitet sie die ständige Angst, angegriffen oder verschleppt zu ­werden. Zudem brauchen sie dringend Kleidung und Schulmaterial. Auch sonst leiden die Familien unter den prekären Bedingungen. Da sie nicht mehr zurückkönnen, beginnen sie in Kurtamgarha ein neues Leben, u. a. mit einfachen Materialien für den Bau neuer Behausungen.

Schlimmste Übergriffe

In Kandhamal fanden 2008 die schlimmsten religiös motivierten Angriffe gegen Christen statt, die sich in den letzten Jahrzehnten in Indien zugetragen haben. Rund 100 Christen wurden auf grausame Weise getötet. Über 50 000 mussten fliehen. Auslöser war ein Mord an  einem hohen Hindu-Priester, der fälschlicherweise sieben Christen angelastet worden war. Dank dem langjährigen Einsatz von CSI-Partnern wurden die sieben Christen nach 10 Jahren von ihren Urteilen freigesprochen.

Reto Baliarda

CSI-Partnerin Parul Singh: «Hindus in allen Schulklassen»

CSI: Wann war Ihr letzter Besuch in Kandhamal?

Parul Singh (Name geändert), CSI-Projektpartnerin: Im April 2022

Wie ist dort die Lage für Christen im Allgemeinen, verglichen mit anderen Bundesstaaten?

Zusehends beängstigend. In letzter Zeit hat es Angriffe auf Christen gegeben, bei denen zum Glück niemand ernsthaft verletzt wurde.

CSI unterstützt drei christliche Schulen in Kandhamal. Wie läuft es dort und wie geht es den Schülern?

Sehr gut. In jeder Klasse gibt es Hindu-Schüler, welche die christlichen Schüler vor hinduextremistischen Übergriffen schützen. In einigen Fällen sind sie und ihre Familien ebenfalls Christen geworden. Diese Familien sind sehr glücklich. 

Die Schulen sind bei den Familien in der Umgebung sehr beliebt. Leider können wir aus Platzgründen nicht alle Kinder aufnehmen. Es ist die einzige Schule in der Region, in der Englisch unterrichtet wird. Der Unterricht ist sehr kostengünstig, weil ein Grossteil der anfallenden Kosten von CSI übernommen wird.

Hat es Angriffe oder Drohungen gegen eine der Schulen oder gegen Lehrpersonen gegeben?

Nein, dank der Anwesenheit der hinduistischen Schüler ist das bisher nicht vorgekommen.

Schülerinnen in Kandhamal führen einen traditionellen Tanz auf. csi
Schülerinnen in Kandhamal führen einen traditionellen Tanz auf. csi
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