Indische Christen protestieren gegen die schlimmste Verfolgung aller Zeiten

Rund 22’000 Christen protestierten am 19. Februar 2023 in der Hauptstadt Delhi. Mit einer friedlichen Kundgebung machten sie auf die starke Zunahme von Hass und Gewalt gegen sie aufmerksam. Die Christenverfolgung in Indien war noch nie so heftig wie in den Jahren 2021 und 2022.

Protestkundgebung

Rund 22.000 Christen machten mit einer Protestkundgebung am 19. Februar 2023 in der Hauptstadt Delhi auf die starke Zunahme von Hass und Gewalt gegen sie aufmerksam. csi

 

Die Christen in Indien sind für ihre friedfertige Haltung bekannt. Seit der Unabhängigkeit Indiens vor mehr als sieben Jahrzehnten haben sie nur wenige Male zu Protestkundgebungen als Reaktion auf Gewaltverbrechen gegen Christen aufgerufen: Wegen der Vergewaltigung von Nonnen in den 1990-er Jahren, der Verbrennung des australischen Missionars Graham Stuart Staines und seiner Söhne Philip und Timothy im Jahr 1999 und wergen der Massengewalt im östlichen Kandhamal-Distrikt im Jahr 2008. Die Demonstration vom 19. Februar setzte nun ein weiteres Zeichen. Fast alle Konfessionen waren vertreten: von der katholischen und der evangelischen Kirche, bis hin zu evangelikalen und unabhängigen Gemeinden.

Noch nie so viel Gewalt wie 2022

Das United Christian Forum (UCF) mit Sitz in Delhi dokumentiert religiöse Gewaltdelikte. Für das Jahr 2022 meldet UCF 598 Vorfälle von Gewalt gegen Christen in 21 Bundesstaaten. Im Jahr 2021 waren es 486 Fälle gewesen. 2022 war das Jahr mit der stärksten Christenverfolgung seit Indiens Unabhängigkeit. Besonders besorgniserregend war die Entwicklung in sechs Bundesstaaten Uttar Pradesh und Uttarakhand im Norden, Chhattisgarh und Madhya Pradesh in Zentralindien, Jharkhand im Osten und Karnataka im Süden.

Schreiben an die Regierung

Die christliche Gemeinschaft hat ein Memorandum an die indische Präsidentin Draupadi Murmu, Premierminister Narendra Modi, die Ministerpräsidenten aller indischen Bundesstaaten und andere Beamte gerichtet. In dem Memorandum äusserten sie ihre Besorgnis über die ausbleibende Verfolgung und Bestrafung der Täter. «Selbst hochrangige Politiker und Mitglieder verschiedener nichtstaatlicher Akteure rufen nach dem Blut der Christen und drohen damit, verschiedene Bundesstaaten von allen christlichen Kindern, Frauen und Männern zu säubern», heisst es im Memorandum weiter.

Was nicht Hindu ist, soll verschwinden

Hindutva, eine hinduistische nationalistische politische Ideologie, behauptet, dass Christen und andere religiöse Minderheiten keine echten Inder sein können, weil ihre Religionen ausserhalb von Indien entstanden seien. Gemäss dieser Ideologie muss ganz Indien von der christlichen Anwesenheit gesäubert werden. «Dabei hat das Christentum in Indien eine Jahrtausende alte Tradition. Christen haben seit dem ersten Jahrhundert, als der Apostel Thomas nach Indien kam und auf indischem Boden den Märtyrertod erlitt, friedlich mit anderen Religionen zusammengelebt», sagte Dr. Michael Williams, der Vorsitzende der UCF. «Das von den Hindutva-Radikalen verbreitete Narrativ, das Christentum sei eine ‘fremde Kultur‘, ist äusserst verletzend und entfremdend für die christliche Gemeinschaft und muss widerlegt und seine Verbreiter müssen sowohl in rechtlichen als auch in öffentlichen Foren zur Rechenschaft gezogen werden.»

Der Staat lässt die Radikalen gewähren

Die UCF stellte fest, dass fast alle gemeldeten Vorfälle im Jahr 2022 ein ähnliches Muster von Drohungen, Nötigungen und Aggressionen durch religiöse Extremisten erkennen lassen. Gegenüber dem Rechtsstaat scheinen sie Immunität zu geniessen, da die Polizei und die lokalen Medien sie oft sogar noch begleiten. Ein weiterer Trend besteht laut UCF darin, dass die Banden gewaltsam in Gebetsversammlungen eindringen oder Einzelpersonen zusammentreiben und ihnen unterstellen, sie würden Menschen «gewaltsam zu ihrer Religion bekehren». Die Täter nehmen das Gesetz in die eigenen Hände und schlagen mit Stöcken und Stangen auf Männer, Frauen und sogar Kinder ein, ohne dass sie dafür bestraft werden. Gelegentlich seien sie auch mit Schusswaffen unterwegs, heisst es weiter. «Es ist schwer zu verstehen, warum die Polizei schweigt und dann christliche Opfer unter dem Vorwurf illegaler religiöser Konversionen verhaftet.»

Anzeigen wegen angeblicher «Zwangsbekehrungen»

Laut UCF wurden im Jahr 2022 mindestens 111 Anzeigen gegen Christen wegen angeblicher «Zwangskonvertierung» erstattet, meist durch religiöse extremistische Organisationen.  Im Dezember 2022 belagerten bewaffnete Banden christliche Häuser in Dörfern in Chhattisgarh. Sie warfen den Christen «Massenbekehrung» vor. Die Dorfbewohner mussten um ihr Leben fliehen, und viele konnten nicht mehr nach Hause zurückkehren.

 Die Gewalt gegen Christen nimmt ständig zu

Die Zahl der gemeldeten Vorfälle von Gewalt gegen Christen in Indien hat seit 2014, als die hindunationalistische Bharatiya Janata Partei die Parlamentswahlen gewann, stetig zugenommen. 2014 wurden mindestens 127 Vorfälle gemeldet, 2015 142, 2016 226, 2017 248, 2018 292 und 2019 328. Im Jahr 2020 ging die Zahl der Vorfälle leicht auf 279 zurück, erreichte aber im darauffolgenden Jahr einen Höchststand. «Trotz der wiederholten Appelle an die Behörden nehmen Gewalt und Hass gegen Christen weiterhin drastisch zu», sagte der christliche Aktivist Dr. John Dayal. Die christliche Gemeinschaft hat den indischen Präsidenten aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die Rechtsstaatlichkeit gewahrt bleibt und die religiösen Minderheiten die Gewissheit haben, dass ihre verfassungsmässigen Rechte nicht bedroht sind. Die Christen machen nur 2,3 % der indischen Bevölkerung aus, während die Hindus etwa 80 % ausmachen.

Anugrah Kumar

Protestierende indische Christen
Glaubensmut trotz wachsender Verfolgung. csi
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Trudi Dreier
01. March 2023
Beten wir doch, dass diese schreckliche Christenverfolgung ein Ende nimmt.
CSI
01. March 2023
Danke für Ihren Hinweis. Ja, wir sind auch der Überzeugung, dass Gebet für die Verfolgten ein Schlüssel ist. Wie gelingt es, eine nachhaltige Gebetskampagne für verfolgte und diskriminierte Christinnen und Christen in Bewegung zu setzen? Bei CSI ist das ein aktuelles Thema.
Catherine
24. August 2023
Letzten Sonntag wurde wieder eine Kirche angegriffen, dies in Delhi. Ich habe am Montag von einem indischen Freund, dessen Vater christlicher Pfarrer ist, davon erfahren. Heute ist es in den Nachrichten. Die Regierung Indiens steht leider zu diesen Delikten, welche auch die Muslime betreffen. Es passiert noch viel mehr, als wir hier in Europa erfahren.
CSI
24. August 2023
Danke für diesen Hinweis. Leider haben wir bereits davon erfahren. Der Druck auf die Christinnen und Christen in Indien wächst. CSI arbeitet mit lokalen Partnern zusammen und unterstützt neben vielem anderen auch ein Netzwerk von christlichen Rechtsanwälten und wir schulen Pastoren und Pfarrer im Verfassungsrecht. Das Rechtswissen hilft ihnen in Konfliktsituationen sehr.