
Der Druck auf alles, was nicht hinduistisch ist, wächst seit der Machtübernahme der amtierenden Regierungspartei BJP im Jahr 2014 stetig. Deshalb erhalten die von CSI unterstützten Seminare für Verfassungsrecht zunehmende Relevanz. Davon konnten sich die CSI-Projektmanagerin und Senior Redaktor Rolf Höneisen vor Ort überzeugen.
Das Bedürfnis ist gross: Indische Christen lassen sich in Verfassungsrecht schulen. Sitzend vorne rechts:Rolf Höneisen von CSI. Csi
«Indien hat eine moderne Verfassung. Es ist wichtig, die Verfassungsgrundlagen zu kennen», erklärt CSI-Partnerin und Rechtsanwältin Parul Singh (Name geändert) den rund 30 Pastoren unabhängiger Kirchen, die sich etwas ausserhalb von Chennai zu einer Schulung getroffen haben.
Parul Singh hat eine Broschüre mit allen verfassungsrechtlichen Grundlagen über Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Redefreiheit zusammengestellt. Aus der anschliessenden Diskussion geht hervor, wie relevant diese Auflistung in einer Auseinandersetzung sein kann. Ein Pastor nach dem anderen berichtet über erlebte Ausgrenzungen, Drohungen und Schläge. Es wird deutlich, dass der Druck gegen alles, was nicht hinduistisch ist, zunimmt. Doch mehrere Pastoren erzählen auch, wie ihnen das neu erlangte Wissen und das Zitieren des geltenden Rechts in heiklen Situationen massgeblich geholfen haben.
Am Dorfeingang steht eine grosse Tafel: «Stopp! Dieses Gebiet ist zu 100 Prozent Hindu!» Als hier auf staatlichem Grund – also «neutralem» Boden – ohne Bewilligung mit dem Bau eines Hindu-Tempels begonnen wird, reklamiert ein Pastor bei den Dorfverantwortlichen. Bei der Gegenüberstellung nimmt der mutige Christ unter Beisein der Polizei die CSI-Broschüre hervor und beginnt, die verfassungsrechtlichen Grundlagen laut vorzulesen. Mit Erfolg – der Tempelbau wird gestoppt.
Ein anderer Pastor ist mit einer Gruppe unterwegs, bis sie von Hindus aufgehalten werden. Diese betonen, dass Christen in ihrem Gebiet nichts zu suchen haben und drohen ihnen mit dem Rausschmiss aus dem Dorf. Auch hier hilft die Broschüre. Der Pastor hat zuvor eine Schulung mit der CSI-Partnerin absolviert und die wesentlichen Gesetze auswendig gelernt. Nun rezitiert er sie vor den Angreifern, worauf sie sich verziehen. Seither können Christen dort frei über ihren Glauben reden.
«Befasst euch mit dem indischen Gesetz. Und bei Angriffen, beruft euch darauf!» Man spürt es der CSI-Projektpartnerin Parul Singh an, wofür ihr Herz schlägt. Die geschilderten Erlebnisse zeigen, wie relevant diese Pastorenschulungen sind. Es erstaunt deshalb nicht, dass aus der Reihe der Pastoren der Wunsch nach einem ständig besetzten Büro für Rechtsberatung laut wurde. Das würde sie, die in ihren Gemeinden Ansprechpersonen für alles sind, in diesem Bereich entlasten.
Rolf Höneisen
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