02. Januar 2018

Kein Ausruhen – nicht einmal bei Krankheit

Angst, Hunger und Verzweiflung begleiteten Abuk Aher Diing ständig während der 27 Jahre, in denen sie als Sklavin schuften musste. Dass sie heute als freier Mensch wieder im Südsudan leben kann, grenzt für sie an ein Wunder.

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 Es ist ein eindrückliches Bild: 200 befreite Sklaven, etwa zwei Drittel davon Frauen, freuen sich auf die Begrüßungsfeier, die der CSI-Projektverantwortliche Franco Majok und sein Team organisiert haben. Obwohl praktisch alle schlimme Qualen während der Versklavung erlitten, herrscht unter den Befreiten eine herzlich fröhliche Stimmung.

Trotzdem fällt es den befreiten Sklaven nicht leicht, mit CSI-Mitarbeitenden über ihr schreckliches Leben während der Entführung und der Versklavung zu sprechen. Einige von ihnen sind dennoch dazu bereit. Zu ihnen gehört auch die 45-jährige Abuk Aher Diing, die 1990 von brutalen arabischen Milizen verschleppt und im Sudan als Sklavin weitergereicht wurde.

Verprügelt und entführt

Abuk war eine junge Frau, als das Unheil über sie hereinbrach. Als die Araber in ihr Dorf Gaal eindrangen und zunächst südsudanesische Befreiungskämpfer angriffen, befand sich Abuk gerade im Gespräch mit vier anderen Frauen. Sofort realisierten sie die bedrohliche Lage und versuchten wegzurennen. «Doch die Araber konnten mich auf ihren Pferden problemlos einholen. Sie schlugen mich erbarmungslos zusammen und nahmen mich gefangen», erzählt sie mit schwacher Stimme. Die junge, bis anhin lebensfrohe Frau wurde mit anderen Dorfbewohnern zusammengebunden, sodass niemand weglaufen konnte.

Die Verschleppung in Richtung Norden tags darauf war ein traumatisches Erlebnis. Die Milizen vergewaltigten Abuk mehrfach und verdroschen sie nach Lust und Laune. «Sehen Sie nur, was sie mir angetan haben», sagt sie und zeigt die sichtbaren Narben an ihrem linken Bein. Die befreite Sklavin offenbart zudem traurig, wie sie während der ganzen Verschleppung Todesängste ausstand, vor allem, weil sie zusehen musste, wie andere Gefangene hingerichtet wurden. Sie waren zu erschöpft gewesen, um dem hohen Schritttempo weiter zu folgen. «Auch ich war am Rande der Erschöpfung. Doch ich sagte mir, dass ich auf jeden Fall weiterlaufen muss. Ich wollte auf keinen Fall sterben.»

Schikanierung bis zum Äußersten

Die Entführung, die für einige einem Todesmarsch gleichkam, dauerte fünf Tage an. Im Norden angekommen, wurde Abuk einem sudanesischen Sklavenhalter übergeben. Für seine Großfamilie – fünf Frauen und zwölf Kinder – musste Abuk jeden Tag das Essen zubereiten, Wasser schleppen, Brennholz im Wald sammeln, putzen und den Esel pflegen. Eine richtige Mahlzeit erhielt sie nie. Sie bekam lediglich die spärlichen Essensreste, sofern es etwas gab. «Sehr oft hatte ich großen Hunger und musste nachts mit leerem Magen in der Küche schlafen.»

Der Sklavenhalter zwang Abuk auch, zum Islam überzutreten, was der jungen Frau völlig zuwider war. Regelmäßig musste sie mit der Familie die muslimischen Gebete verrichten. «Besonders schlimm war es jeweils im Fastenmonat Ramadan. Das Essen musste nach dem Sonnenuntergang auf die Minute genau zubereitet sein, ansonsten wurde ich verprügelt», berichtet sie mit Nachdruck. Schmerzlich war für die dem Dinka-Stamm zugehörige Frau auch, dass sie immer wieder beschimpft wurde.

Die Sklaverei war für Abuk nur noch ein Kampf gegen Widerwärtigkeiten, bei dem sie jegliche Hoffnung auf Besserung verloren hatte. «In meiner Verzweiflung begann ich mich damit abzufinden, dass ich wohl nie mehr ein freies Leben würde führen können. Ich hatte die ganze Zeit so schreckliche Angst.» Und selbst wenn die tapfere Frau krank war, erlaubte es ihr der Sklavenhalter nicht, sich auszuruhen.

Neues Leben

Eines Tages kam ein fremder Mann vorbei. Abuk nahm nur wahr, wie er sich mit dem Sklavenhalter unterhielt und ihm etwas gab. Sodann gingen beide auf die Sklavin zu und sagten ihr, dass sie mit dem Mann mitgehen könnte. Abuk wusste anfänglich nicht so recht, was in diesen Momenten vorging. Doch als der Fremde sie mit anderen Dinkas zusammenführte und ihr mitteilte, dass sie alle zurück nach Dinkaland (Südsudan) gehen würden, konnte sie ihr Glück kaum fassen. «Ich war voller Freude», sagt sie mit einem leichten Lächeln und fügt an, dass alle Dinkas auf dem Rückweg sehr gut behandelt wurden. Der Befreier gab allen genug zu essen und kaufte jedem ein neues Kleid, sodass sie nicht länger in den zerrissenen Lumpen gehen mussten.

Seit Juni 2017 ist Abuk als freier Mensch wieder in ihrer Heimat. Nach all den Jahren, in denen sie als Sklavin in der Ferne schuften musste, hofft sie fest, Verwandte zu finden. Doch es werde schwierig sein, diese überhaupt zu erkennen, wie sie uns mitteilt. «Ich bin so glücklich, euch zu sehen. Es ist das erste Mal, dass ich weiße Menschen sehe», bemerkt sie mit leichter Verwunderung.

Reto Baliarda

 

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