Kongress «Christenverfolgung heute» – Mit Syrien geht es nicht bergauf

Im November 2019 fand zum sechsten Mal der mehrtägige Kongress «Christenverfolgung heute» statt. Der Kongress gehört zu den grössten Veranstaltungen zum Thema Christenverfolgung im deutschsprachigen Raum. Rund 30 Organisationen tragen den Kongress mit. CSI leistete einen Beitrag zu Syrien.

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«Vielen Menschen war vor dem Krieg nicht bekannt, dass es in Syrien Christen gibt», begann Peter Fuchs sein Referat. Der Geschäftsführer von CSI-Deutschland leitete einen Workshop über die Christen in Syrien am Kongress «Christenverfolgung heute» (siehe Kasten).

Wiege des Christentums

Peter Fuchs bezeichnete Syrien als die Wiege des Christentums. In der Tat war die Hauptstadt Damaskus ab dem 4. Jahrhundert ein wichtiges Zentrum des Christentums. Und selbst wenn drei Viertel der Syrer sunnitische Muslime sind, machten Christen vor dem Krieg immerhin noch rund 10 Prozent der Bevölkerung aus.

Die reiche christliche Kultur wurde durch die syrische Regierung geschützt. So ist Weihnachten bis heute ein staatlicher Feiertag. Zudem überragen viele Kirchen die Moscheen, ganz im Gegensatz zu anderen Ländern mit muslimischer Mehrheit. «Und wer heute das christliche Viertel in der Altstadt von Damaskus mit seinen vielen Kaffeehäusern besucht, der kommt keine zehn Meter weit, ohne eine Kirche anzutreffen», so Peter Fuchs, der als Pfarrer seit Jahren den Kontakt zu syrischen Christen pflegt.

Christen verlassen ihre Heimat in Scharen

Doch der Krieg hat auch die christliche Basis in Syrien schwer erschüttert. Fuchs betonte dabei, dass die Proteste gegen die syrische Regierung von Anfang an nicht friedlich gewesen seien. Ferner sprach er bewusst nicht von einem Bürgerkrieg: «Vielmehr ist es ein Krieg mit internationaler Beteiligung, bei dem nach manchen Schätzungen bis zu 300’000 Dschihadisten aus 86 Nationen versucht haben, die säkulare Regierung vom Tisch zu fegen.»

Die Folgen des Kriegs sind verheerend, gerade auch für die Christen: Über 200 Kirchen und 3000 Schulen (Kirche in Not) wurden zerstört, Christen wurden von dschihadistischen Gruppen schikaniert. Viele wurden entführt, vergewaltigt oder sogar getötet. Zehntausende Überlebende haben das Land verlassen. Alleine in der Grossstadt Aleppo leben heute weniger als 100’000 Christen, während es vor dem Krieg 250’000 waren.

«Die Angst erdrückte uns»

Wie schwer das Leiden der Christen in Syrien noch bis vor kurzem war, zeige auch die Lage im heute relativ sicheren Damaskus. Noch im Frühling 2018 feuerten islamistische Aufständische vom belagerten Ost-Ghouta aus täglich rund 40 Mörsergranaten in das christliche Viertel der syrischen Hauptstadt. Bewohner berichteten, dass sie damals vor Schrecken nicht mehr atmen konnten. «Die Angst erdrückte uns.»

Besonders tragisch ist das Schicksal der jungen Schülerin Christine Horani, der Peter Fuchs zwei Mal begegnete. Beim ersten Besuch im Februar 2017 sei sie ein aufgewecktes, gesundes Mädchen gewesen. «Als ich sie ein Jahr später wieder besuchte, begegnete ich einem schwerverletzten Mädchen mit amputiertem Bein. Sie war von einer Mörsergranate getroffen worden.»

Christliche Städte unterschiedlich betroffen

Peter Fuchs erzählte auch von seinem Besuch in der «einst schönsten syrischen Stadt Maalula», in der heute noch ein Dialekt des Aramäischen, die Sprache Jesu, gesprochen wird. Kämpfer der damaligen Al-Nusra-Front und der Freien Syrischen Armee hatten 2013/14 die Stadt überfallen, Christen getötet, Felder zerstört und Kreuze von den Kirchendächern abgerissen. Fotos von eingeschossenen Kirchenmauern erinnern an die schlimmen Angriffe. Immerhin seien heute wieder viele Christen zurückgekehrt, während Maalula noch 2017 eine Geisterstadt war.

Besser sei es den Bewohnern der zu 100 Prozent christlichen Stadt Saidnaya 30 km nördlich von Damaskus ergangen. Der örtlichen christlichen Miliz war es gelungen, die Dschihadisten fernzuhalten. So blieben auch die 40 Kirchen und Kapellen in der Stadt unbeschadet.

Verheerende Sanktionen des Westens

Obwohl heute viele Gebiete Syriens wieder relativ sicher seien, nahm Fuchs gerade auf seiner letzten Reise eine gedrückte Stimmung wahr. «Die Armut ist heute der grösste Feind der Syrer. Während vor dem Krieg die Wirtschaft blühte und der Tourismus nahezu explodierte, sind jetzt rund 50 Prozent der Bevölkerung arbeitslos. Das ist eine der höchsten Quoten weltweit.» Und diejenigen, die arbeiten, können mit ihrem Lohn viel weniger kaufen als vor dem Krieg. Vier von fünf Personen leben unter der Armutsgrenze. An vielen Orten, wie beispielsweise in zerstörten Teilen Aleppos, muss das Trinkwasser gekauft werden, weil die Wasserversorgung zerbombt ist.

Verschärft werde die grassierende Armut durch die von den USA und Europa (auch der Schweiz) verhängten Wirtschaftssanktionen, gegen die sich beispielsweise alle syrischen Patriarchen stellen. «Die Sanktionen sind unmenschlich!» klagte Fuchs an. Sie würden viele Wirtschaftsbereiche Syriens treffen, vor allem auch das Gesundheitssystem, was fatale Folgen für erkrankte Menschen habe, die auf Medikamente angewiesen sind. Fuchs hob dabei das Beispiel der an Leukämie erkrankten Jamileh hervor, über die CSI schon berichtet hatte. Sie lebt heute auch dank der Hilfe von CSI und dank der Begleitung durch unsere Partner. www.www.csi-schweiz.ch/jamileh

Es besteht Hoffnung

Hoffnung verbreitete Fuchs durch die vorgestellten Hilfsprojekte von CSI wie das Zentrum für Flüchtlingskinder in Tartus von Schwester Marie-Rose, das Zentrum für geistig beeinträchtigte Kinder in Homs oder auch die Ausbildungsprojekte der Blauen Maristen, die in Aleppo Dutzende von Syrerinnen und Syrern schulen und befähigen, ein Unternehmen aufzubauen.

Ein weiteres Hoffnungszeichen liege im Wesen der Syrer selbst. Viele Syrer seien sehr kultiviert und fleissig. «Sie können aus nichts etwas machen», so Fuchs, der sozusagen als Beleg dafür ein Foto aus Aleppo zeigte, auf dem eine Bauruine zu sehen ist. Viele Geflüchtete wohnen in diesem nicht vollendeten Wohnblock und schützen sich mit Plastikplanen. Abschliessend erzählte er auch das Beispiel einer Schwester aus Aleppo, die als Schulleiterin während der kritischsten Phase des Kriegs alle Angebote ausschlug, in den Libanon zu fliehen. Sie bleibe, solange auch nur ein einziges Kind noch nicht geflohen sei. «Heute besuchen wieder viele Kinder ihre Schule.» 

Reto Baliarda

 


Zum sechsten Mal: Der Kongress «Christenverfolgung heute»

450 Besucher nahmen am Kongress «Christenverfolgung heute» vom 10. bis am 13. November im Tagungszentrum Schönblick in Schwäbisch-Gmünd (Süddeutschland) teil. Der Kongress findet seit 2009 alle zwei Jahre statt und wird vom Christlichen Gästezentrum Schönblick in Schwäbisch-Gmünd und von der Evangelischen Nachrichtenagentur idea organisiert. Rund 30 christliche Organisationen, die sich mit verfolgten Christen beschäftigen, sind Partner des Kongresses; CSI ist seit 2011 als Kooperationspartner dabei. Am Kongress stand die Lage der bedrängten Christinnen und Christen unter anderem im Nahen Osten, in Nigeria, Indien und China im Fokus. Viele der Referierenden reisten direkt aus diesen Ländern an.

www.schoenblick.de/christenverfolgung

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