Nach über 20 Jahren endlich frei

Aluet Chan Chan wurde von islamistischen Kämpfern in den nördlichen Sudan entführt und versklavt. Ihr Gebieter Hamadan Musa schlug und demütigte das kleine Mädchen regelmässig. Später nahm Hamadans Sohn sie als seine Frau mit. Aluet ist froh, dass sie von der Sklaverei erlöst wurde.

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Bis zu ihrem neunten Lebensjahr erlebte Aluet bei ihren Eltern und Geschwistern im heutigen Südsudan eine glückliche Kindheit. Ihre Eltern waren Bauern und Fischer.

Doch an einem Tag im Jahr 2000 änderte sich Aluets Leben schlagartig, als Islamisten aus dem Norden im Auftrag der sudanesischen Regierung ihr Dorf angriffen. «Meine Mutter nahm mich hastig auf den Rücken und rannte weg. Doch die Araber erwischten uns und nahmen uns mit anderen Menschen vom Dorf gefangen», erzählt sie.

Ein wahrer Alptraum

Während des langen Marsches in den Norden musste das kleine Mädchen Schreckliches miterleben. Ihr älterer Bruder wurde von den Entführern erschossen, als er sich ihnen widersetzen wollte. «Kommt dazu, dass ich nachts viele Frauen und Mädchen schreien hörte, weil sie vergewaltigt wurden, auch meine Mutter.» Besonders schlimm war für Aluet, dass sie während des tagelangen Marsches kaum etwas zu essen erhielt.

Bei der Ankunft wurden Aluet und ihre Mama dem Sudanesen Hamadan Musa als Sklavinnen übergeben. Fortan musste sich ihre Mutter um Hamadans betagte Mutter kümmern, das Haus reinigen und Kleidung waschen. Sie war auch für die Mahlzeiten verantwortlich und musste selbst das Sorghum mahlen. «Meine Mutter arbeitete viele Stunden am Tag. Manchmal sammelte sie auch wildes Gemüse, wenn wir sonst nichts zu essen hatten.»

Die beiden gingen bei Musa durch schlimme Zeiten: Sie mussten jeweils auf dem harten Boden schlafen. Und wenn sich die erschöpfte Mutter ihre Müdigkeit anmerken liess, wurde sie von Musa beschimpft und geschlagen. Aluet erging es nicht besser, wurde doch auch sie häufig angeschrien und verprügelt.

Wegzug nach Missbrauch

Als sie heranwuchs, musste sich Aluet der Genitalverstümmelung unterziehen und wurde zum Islam gezwungen. Zudem verging sich Musas Sohn häufig an ihr. «Eines Tages nahm er mich mit in ein anderes Dorf, wo ich mit ihm leben musste. Ich habe seitdem meine Mutter nie mehr gesehen», klagt Aluet, die in dieser Zeit zweimal ein Kind gebar.

Am 20. Juli 2021 trat eine unerwartete Wende in Aluets Leben ein. Als sie auf dem lokalen Markt einkaufen ging, wurde sie von einem arabischen Befreier angesprochen, der für CSI arbeitet. Er nahm die junge Frau mit in sein Lager, wo sich andere befreite Sklaven aus ihrer Heimat befanden. Aluets Augen leuchten vor Freude, wenn sie von ihrer Rückkehr in den Südsudan spricht: «Der Befreier behandelte uns auf dem Rückweg sehr gut. Er gab uns Trockenfisch, Öl und Sorghum und schenkte uns neue Kleidung.»

Die mittlerweile 30-jährige Frau ist froh, wieder im Südsudan zu sein. Mit der Milchziege und dem Startsack von CSI kann sie ein neues Leben in Freiheit führen.

Reto Baliarda

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