Hilfe für geistig verwirrte Frau wurde ihnen zum Verhängnis

Sie rannte nackt durchs Dorf. Zwei christliche Ehepaare und eine Schwiegermutter aus dem Hochland kümmerten sich deshalb liebevoll um die geistig verwirrte Frau. Drei Monate später werden die fünf Christen inhaftiert, unter anderem wegen angeblicher Entführung, Folter und Zwangskonversion der von ihnen betreuten Frau. Dank der Intervention von CSI-Partner Stephen Adhikari kommen alle nach 14 Monaten frei. CSI hat sie in Nepal getroffen.

10_Nepal

Wegen ihres fürsorglichen Einsatzes für eine psychisch beeinträchtigte Frau verbrachten sie mehrere Monate hinter Gittern: Rup und Gonga Lalopariar sowie Rupha Thapa mit ihrer Mutter Loly. Links Pastor Bahadur. csi

In der westlichen Stadt Nepalganj treffen die CSI-Projektleiterinnen vier der fünf Christen, die mehrere Monate im Gefängnis verbringen mussten. Zwei von ihnen, Rupha Thapa und ihre Mutter Loly, nahmen für die Begegnung eine achtstündige Fahrt auf holprigen Strassen auf sich. Das Ehepaar Gonga und Rup Lalopariar hat gar eine dreitägige Reise hinter sich. Die beiden wohnen mit ihren
Kindern seit eineinhalb Jahren in
Indien, weil sie in ihrem Heimatdorf Banghdad ihre Lebensgrundlage verloren haben.

Haltlose Anschuldigung

Ihr Schicksal geht unter die Haut. Angefangen hatte alles im Jahr 2018: «Wir beobachteten immer wieder, wie eine verwahrloste, psychisch kranke Frau nackt durch unser Dorf lief», erzählt Rup. «Wir begannen für sie zu beten und luden sie in unsere Kirche ein. Sie blieb zwei Tage bei uns und fühlte sich sehr wohl und wertgeschätzt. Schliesslich überwand sie ihre psychischen Störungen.»

Drei Monate vergingen, als völlig unerwartet Polizisten in Zivilkleidung nach Banghdad kamen und sich nach den fünf Christen erkundigten, die mit der betreffenden Frau in Kontakt standen. Tags darauf standen uniformierte Polizeibeamte vor der Türe der  fünf Christen. Sie befahlen Rup und die anderen, mitzukommen. «Wir gingen mit, ohne zu wissen, was als nächstes geschehen würde», erinnert sich Rup.

Die fünf verstanden die Welt nicht mehr, als sie in Gewahrsam genommen und noch am selben Tag dem Richter vorgeführt wurden. Während der Anhörung erfuhren sie den Grund der Festnahme: Eine Frau aus Banghdad beschuldigte sie mehrfach. «Uns wurde vorgeworfen, die geheilte Frau entführt, gefesselt, gefoltert und zum Christentum zwangsbekehrt zu haben», erklärt Rup.

Die betroffenen Christen hatten keine Möglichkeit, sich zu verteidigen. Dafür beteten sie für die Polizisten, die sie hinterlistig verhaftet hatten. Nach 25 Tagen wurden sie in ein überfülltes Gefängnis gebracht, in dem auch Mörder, Drogenschmuggler und Vergewaltiger inhaftiert waren.

Im Gefängnis misshandelt und schikaniert

Das zuständige Gericht schenkte der Klägerin Glauben und verurteilte die Christen im Frühjahr 2019 zu fünf Jahren Gefängnis, wo sie grossen Schikanierungen ausgesetzt waren. «Wir wurden oft beschimpft und geschlagen, wenn wir uns zum Gebet versammelten. Viele Insassen meinten, dass wir hier nicht in der Kirche seien und wir zuhause beten könnten», sagt Rup und fügt an, dass sie auch keine Bibel bei sich haben durften.

Dank guter Führung und der Intervention eines von CSI unterstützten Anwalts konnte Rupha das Gefängnis nach sechs Monaten verlassen. Die anderen vier Christen wurden nach 14 Monaten entlassen. Mitentscheidend für die frühzeitige Freilassung waren auch die Aussagen der einst psychisch kranken Frau. Sie hatte mit Nachdruck versichert, dass die Anschuldigungen gegen die Christen nicht stimmten.

Laden von Gonga und Rup zerstört

Belastend war die 14-monatige Haft auch für die beiden Kinder von Gonga und Rup (9 und 11). Sie hatten in dieser Zeit keine permanente Betreuung und wurden lange hin- und hergeschoben. CSI-Partner Stephen Adhikari (Name geändert) erkannte ihre Not. Mit finanzieller Unterstützung fand er Familien, die sich um die beiden kümmerten. Zudem wurde ihr Schulgeld bezahlt.

Gross war die Freude, als Gonga und Rup ihre Kinder nach der Haftentlassung wieder in die Arme schliessen konnten! Doch der nächste Dämpfer folgte sogleich: Der Lebensmittelladen und die kleine Hühnerfarm des Ehepaars waren zerstört. «Wir nahmen unsere wenigen Habseligkeiten mit und wanderten nach Indien aus, wo wir uns bis heute mit Gelegenheitsjobs durchschlagen», berichtet Rup. 

Zehn Stunden zu Fuss

Rupha Thapa, die nach sechs Monaten freigelassen wurde und deren Mann in Saudi-Arabien arbeitet, lebt heute bei ihren Schwiegereltern. «Ich bin ihnen sehr dankbar, dass sie während meiner Zeit im Gefängnis unsere Kinder betreut haben», betont sie. Nach ihrer Entlassung musste Rupha während sechs Monaten einmal monatlich vor Gericht erscheinen. «Zu Fuss ist das Gericht fünf Stunden von meinem Dorf entfernt. Also musste ich jedes Mal einen zehnstündigen Marsch auf mich nehmen», erklärt sie. Zudem wird sie heute noch von anderen Frauen in ihrem Dorf ignoriert.

Ruphas Mutter Loly war aufgrund eines Traums, den sie am ersten Betreuungstag der psychisch angeschlagenen Frau hatte, auf eine schwierige Zeit vorbereitet. Deshalb ging sie auch nicht auf Bestechungsversuche ein, um früher aus dem Gefängnis zu kommen.

Ermutigung

Bei ihrer achtstündigen Reise nach Nepalganj wurden Rupha und Loly von ihrem Pastor Bal Bahadur Tamrakar begleitet. Zweimal pro Woche nahm er einen sechsstündigen Weg auf sich, um seine Kirchenmitglieder im Gefängnis zu besuchen. Dies war für die fünf inhaftierten Christen eine grosse Ermutigung.

Bahadur ist Primarlehrer und wird wegen seines christlichen Engagements von seinen Lehrerkollegen schikaniert. Umso dankbarer ist er, wenn er für Christen in Not eine Ermutigung sein kann. «Die Erfahrungen der fünf Christen aus meiner Kirche stimmen mich sehr traurig. Doch sie können auch unserer Regierung die Augen öffnen und dazu beitragen, die Lage der Christen in Nepal zu verbessern.»

Reto Baliarda

Ihr Kommentar zum Artikel

Wir freuen uns, wenn Sie hierzu eine Rückmeldung oder Ergänzung haben. Themenfremde, beschimpfende oder respektlose Kommentare werden gelöscht.


The reCAPTCHA verification period has expired. Please reload the page.

Kommentar erfolgreich abgesendet.

Der Kommentar wurde erfolgreich abgesendet, sobald er von einem Administrator verifiziert wurde, wird er hier angezeigt.