Neuanfang in Armenien nach der Invasion

Zehntausende Christen aus Berg-Karabach können nicht mehr in ihre Heimat zurück. Zu ihnen gehören auch die Familien von Siranush und Armen. Nach der Invasion von Aserbaidschan mussten sie schwer traumatisiert nach Armenien flüchten. CSI hilft ihnen, eine neue Existenz aufzubauen.

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Am 9. November 2020 endete der 44-tägige aserbaidschanische Angriff auf die Armenier in Berg-Karabach mit einem von Russland verhängten Waffenstillstand. Dabei musste Armenien grosse Teile von Berg-Karabach an Aserbaidschan abtreten. Zehntausende Menschen mussten ihre Heimat verlassen. Diejenigen, die bereits geflüchtet waren, realisierten, dass sie wohl nie wieder in ihre Heimat werden zurückkehren können.

Heute leben etwa 35 000 Menschen, die ihre Heimat in Berg-Karabach verloren haben, in der Republik Armenien. Viele Vertriebene wurden vorübergehend bei anderen armenischen Familien untergebracht. Ihnen war bewusst, dass sie längerfristig eine eigene Wohnung finden mussten. Keine einfache Aufgabe, hatten doch die meisten von ihnen während des Krieges alles verloren. Sie waren daher gezwungen, in verlassene oder heruntergekommene Gebäude einzuziehen.

CSI solidarisiert sich mit den christlich-armenischen Opfern von Aserbaidschans Krieg und ethnischer Säuberung. Wir helfen den Vertriebenen, die Häuser, in denen sie Zuflucht gefunden haben, bewohnbar zu machen. Ebenso leisten wir die nötige Unterstützung, damit sie ihren Lebensunterhalt verdienen können.

Durch den Schock gelähmt

Siranush* verbrachte mit ihrer Familie ein glückliches Leben in der Provinz Hadrut in Berg-Karabach. Ihre beiden Kinder verliessen das Elternhaus, als sie erwachsen wurden. Vor einigen Jahren starb ihr Mann. Selbst im Alter von 86 Jahren bewirtschaftete Siranush noch ihren Familienbetrieb in Hadrut.

Dann brach der Krieg aus. Die Provinz Hadrut war eines der ersten Gebiete, das von den aserbaidschanischen Streitkräften überrannt wurde. Der Lärm der Bomben erschreckte Siranush so sehr, dass sie in Ohnmacht fiel. Armenische Soldaten fanden sie bewusstlos in ihrem Haus und brachten sie nach Armenien.

Heute lebt Siranush mit ihrer Tochter Anjela in Armenien. Doch der Schock des Krieges sitzt bei ihr enorm tief. Durch den Krieg traumatisiert, kann sie ihre Beine nicht mehr bewegen. Ausserdem hatte die Wohnung ihrer Tochter bis vor kurzem keine Heizung. Der Winter 20/21 war für beide sehr hart.

Dank der Spenden der CSI-Unterstützer konnte Anjela eine Heizung in ihrer Wohnung installieren lassen. «Diesmal haben wir keine Angst vor dem Winter», erklärt sie selbstbewusst. Als Anjela den Partnern von CSI erzählte, dass sie gerne als Näherin ihren Lebensunterhalt verdienen wolle, besorgten sie ihr eine Nähmaschine mit entsprechendem Zubehör. «Herzlichen Dank für Ihre Hilfe. Ich habe mein Selbstvertrauen wieder zurückgewonnen. Ich kann nun für mich selbst und für meine Mutter sorgen», betont Anjela erleichtert.

Die Suche nach dem verstorbenen Bruder

Vor dem Krieg war Armen ein erfolgreicher Landwirt. Er war 1999 nach Berg-Karabach gezogen und besass bald zwei Häuser, einen Bauernhof und einen Obstgarten. Armen war sehr stolz auf seine Söhne Vartan und Nshan, die beide als Unteroffiziere Militärdienst leisteten.

Sieben Tage nach Kriegsbeginn gingen Vartan und Nshan gemeinsam auf einen Sondereinsatz, bei dem Vartan getötet wurde. Nshan konnte den Leichnam seines Bruders nicht in Sicherheit bringen und begrub ihn an Ort und Stelle. Er versprach, ihn so bald wie möglich zu holen.

Nach dem Krieg gehörte Nshan zu den armenischen Christen, die in das von Aserbaidschan eroberte Land durften, um nach den Leichen ihrer Angehörigen zu suchen. Da er seinen Bruder jedoch nicht fand, musste er ein zweites Mal ins Gebiet einreisen. Schliesslich entdeckte er die Leiche, wickelte sie in seinen Mantel und brachte sie nach Armenien.

Nshan ist immer noch traumatisiert, weil er seinen älteren Bruder vor seinen Augen sterben sah. Sein Vater Armen verlor im Krieg alles und kam mit seiner Frau mittellos in Armenien an. Sie zogen in das Haus von Armens Eltern, das seit Jahren verlassen und praktisch unbewohnbar war.

Mit Hilfe von CSI konnte Armen im Haus eine Heizungsanlage installieren und genügend Geflügel kaufen, um zusammen mit Sohn Nshan eine kleine Farm in Betrieb zu nehmen.

Eindrückliche Entschlossenheit

Trotz all dem schmerzlichen Verlust sind die vertriebenen Christen von Berg-Karabach entschlossen, weiterzuleben und ihren Angehörigen und Gemeinschaften zu dienen. CSI setzt sich dafür ein, dass sie sich von der aserbaidschanischen Invasion erholen können und das armenische Volk in seinem Heimatland eine Zukunft hat.

Joel Veldkamp

*Alle Namen geändert

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