Neue Freiheit mit Fragezeichen

Endlich frei! Unter diesem Titel erschien ein neues Buch über Asia Bibi, die zum Tod verurteilte Christin aus Pakistan. Sie sass neun Jahre unschuldig im Gefängnis wegen angeblicher Blasphemie. Seit Anfang 2019 ist sie frei.

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Asia Bibi – der Name ist weltweit bekannt. In der islamischen Republik Pakistan wurde sie als erste Christin zum Tode verurteilt. Ein Prozess, der für viel Aufsehen sorgte. Neun Jahre verbrachte Asia Bibi in Haft, neun Jahre der Qual, der Erniedrigung. Dies, weil sie blasphemisch gegen den Propheten Mohammed gesprochen haben soll. CSI hat regelmässig über sie berichtet und mit Protestkarten ihre Freilassung gefordert sowie die Familie unterstützt.

Dieses Jahr erschien nun ein neues Buch über die unschuldig Verurteilte. «Enfin libre!» lautet der Titel: Endlich frei! Verfasst wurde es von der französischen Journalistin Anne-Isabelle Tollet, die Asia Bibi über Jahre hinweg unterstützt und bereits zwei weitere Bücher über sie geschrieben hat.

Wirklich frei?

«Endlich frei» – dieser Titel wird im Buch dann verschiedentlich wieder in Frage gestellt. Kann eine Person wie Asia Bibi jemals wieder richtig frei sein?

Als Anne-Isabelle Tollet am 31. Oktober 2018 die lang ersehnte Nachricht erhält, Asia Bibi sei endlich frei, ist sie überglücklich. Die Freude wird allerdings bald wieder getrübt. Denn seitens der Islamisten regt sich Widerstand in Pakistan gegen die Freilassung Asia Bibis. Die Regierung fordert die Christin auf, das Land zu verlassen, ehe ihr Freispruch rechtlich angefochten wird. Die Familie ist ratlos.

Es dauert Monate, bis Ausreise und Zukunft endlich geregelt sind, bis die Familie endlich wieder vereint ist. Mit ihrem Mann Ashiq und ihren beiden gemeinsamen Töchtern lebt Asia Bibi inzwischen in Kanada im Exil. Jeden Tag könne sie beobachten, wie sich ihre Gesichter aufhellen, auch ihr eigenes, beschreibt Asia Bibi. Zu ihrem eigenen Schutz darf aber niemand ihre Adresse wissen. Sie darf nicht einmal mit den Nachbarn sprechen. Und jemals wieder in ihr Heimatland zurückzukehren, ist ausgeschlossen.

In Pakistan wird sie weiterhin verfolgt, obwohl sie freigesprochen wurde. Für die Islamisten ist der Kampf noch nicht beendet. Sie werden erst loslassen, wenn Asia Bibi tot ist. Enorm ist der Druck von allen Seiten in dieser Geschichte, das bringt das Buch immer wieder deutlich zu Tage: der internationale Druck, die Medienberichte und Petitionen, der Einsatz des Papstes für die Freilassung Asia Bibis, aber auch der interne Druck der Islamisten, die sich von der westlichen Welt, von den Christen angegriffen fühlen.

Verfolgt wird die pakistanische Familie auch weiterhin von ihren Fragen: Wie kann ein so ungerechtes Gesetz existieren? Sie meint das Blasphemiegesetz, das die Blasphemie als «Verbrechen aller Verbrechen» deklariert, wie Asia Bibi beschreibt. Dieses Gesetz betrifft nicht nur Christen, sondern auch andere Minderheiten und Muslime. Allzu häufig werde es für Racheakte missbraucht und Menschen werden zu Unrecht ins Gefängnis geworfen. Angehörige von Minderheiten seien besonders gefährdet, dieser Dummheit, diesem Hass, zum Opfer zu fallen.

Brutale Wahrheiten

Das Buch ist auch ein ausführlicher Rückblick auf die Jahre, die Asia Bibi unschuldig in Haft verbracht hat. Sie erzählt die Geschichte selber. Sie ist ehrlich. Sie ist brutal. Sie lässt auch erschütternde Szenen und Details nicht aus. Die Erniedrigungen, die sie im Gefängnis erlebt hat und die sie heute noch vor sich sieht, wenn sie die Augen schliesst. Verbale Angriffe («Für wen hältst du dich, du dreckiger Hund?»), körperliche Angriffe, Schläge. Gewalt an Kindern und Frauen, Mord – selbst im Gefängnis. Asia Bibi muss miterleben, wie die Frau in der Zelle neben ihr vergiftet wird. Und um ihr eigenes Leben bangen. Ständig. Asia Bibi geht durch eine schwere Trübsal. «Meine Tränen waren meine einzigen Gefährten in der Zelle», sagt sie im Buch.

Durch die Erzählperspektive – Asia Bibi erzählt die Geschichte in der Ich-Perspektive, Anne-Isabelle Tollet hat sie aufgeschrieben – entsteht eine besondere Nähe zur Protagonistin. Es geht nicht nur um die Fakten, sondern auch darum, wie es im Innern der Verurteilten aussieht. Um ihre Fragen, Ängste, Zweifel, Hoffnungen, Gebete. Denn gebetet hat Asia Bibi zu jeder Zeit, auch in ihrer dunkelsten Stunde.

Annalisa Hartmann

 


Asia Bibi mit Anne-Isabelle Tollet: Endlich frei!

Die französische Journalistin Anne-Isabelle Tollet arbeitete über Jahre hinweg als Korrespondentin in Pakistan, wo sie von der Verhaftung Asia Bibis erfuhr. Regelmässig schrieb sie in den Medien über die tragische Geschichte und blieb immer in engem Austausch mit den Angehörigen Asia Bibis. Ein direkter Kontakt wurde ihr vom Gefängnis nicht erlaubt. Tollet schrieb bereits die Bücher «Blasphème» und «La Mort n’est pas une solution» über die Geschichte von Asia Bibi. Sie ist ausserdem Generalsekretärin der internationalen Asia-Bibi-Gesellschaft.

Das Buch «Enfin libre!» erschien im Januar 2020 im Verlag Éditions du Rocher und im April 2020 in deutscher Übersetzung im Renovamen-Verlag. Es erzählt Asia Bibis Geschichte aus der Ich-Perspektive. Es sind ihre Worte und Gedanken. Dadurch nehmen die Leser so nah wie nie an den Erlebnissen der pakistanischen Christin teil.

Französisches Original: ISBN 978-2-268-10240-5

Deutsche Übersetzung von Christa Nitsch: ISBN 978-3956211393

 


Joseph Scheppach: Asia Bibi. Eine Frau glaubt um ihr Leben

Eine weitere Neuerscheinung zu Asia Bibi erschien dieses Jahr im Brunnen Verlag. Verfasser ist der Journalist Joseph Scheppach, der den Fall jahrelang begleitet hat und im Buch Berichte aus den unterschiedlichsten Quellen zusammenfasst, von den BBC News über Amnesty International, CSI, zur NZZ und Newsweek Pakistan. Durch seine umfassenden Recherchen bietet Scheppach zahlreiche Hintergrundinformationen zur Situation in Pakistan. Da er Asia Bibi nicht persönlich getroffen hat, ist seine Erzählung allerdings nicht so nah an der Person wie jene von Anne-Isabelle Tollet.

ISBN 978-3-7655-0738-0

 

Gebet von Asia Bibi

Danke, mein Gott,

du hast meine Strasse erhellt

und mir den richtigen Weg gezeigt,

jenen der befreienden Hoffnung.

Meine leeren Träume hast du

durch einen unerschütterlichen Lebenswillen ersetzt.

Zu dir will ich rufen, mit meinem ganzen Wesen:

Danke, mein Gott!

 

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