Luka Binniyat hat im Gefängnis menschenunwürdige Entbehrungen erlebt

Der Journalist und Menschenrechtler Luka Binniyat ist am 3. Februar 2022 aus der Haft entlassen worden. Während der drei Monate dauernden Haft machte er sich vor allem Sorgen um seine Familie. Binniyat ist dankbar, dass er die schwierige Zeit soweit unbeschadet überstanden hat. Er lässt sich durch die Inhaftierung nicht einschüchtern. Im Gegenteil.

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CSI: Luka Binniyat, Sie wurden am 4. November 2021 verhaftet, nachdem Sie einen Artikel über die Tötung von vier Christen durch muslimische Fulani-Viehhüter im Staat Kaduna publiziert hatten. Dachten Sie schon beim Schreiben, dass man Sie festnehmen könnte? 

Luka Binniyat: Ich bin ehrlich gesagt überrascht, dass es nach meiner vorletzten Inhaftierung zwischen Juli und Oktober 2017 so lange dauerte. Als Journalist und Sprecher der «Southern Kaduna People‘s Union (SOKAPU)» berichte ich regelmäs-sig über die Missstände im Süden Kadunas. Sogar meine Freunde und Arbeitskollegen fürchten deshalb um mein Leben. Die Regierung von Kaduna unter Gouverneur Mallam Nasir el-Rufai hat mich schon länger auf eine schwarze Liste gesetzt.

 

Was ging Ihnen bei der Festnahme durch den Kopf?

Das Wohlergehen meiner Frau und meiner Kinder standen für mich an erster Stelle. Ich hatte Angst, dass sie hungern könnten oder ein Staatsbeamter ihnen etwas antun würde. Das kommt in Nigeria leider oft vor.

Ich war auch besorgt, dass nun der Informationsfluss über die gewaltsame Unterdrückung der Christen harzen könnte. Aber Gott sei Dank haben junge, mutige Reporter diesen wichtigen Auftrag übernommen.

 

Wie haben Sie die Zeit im Gefängnis überstanden?

Das Ausharren in einem nigerianischen Gefängnis ist wie das Leben in der schäbigsten Umgebung, die sich ein Mensch nur vorstellen kann. Meine Zelle war etwa so gross wie ein Klassenzimmer für 35 Schüler. Doch wir waren 80 Insassen. Drogen sind an der Tagesordnung. Läuse, Wanzen und Maden tummelten sich auf den Böden, Wänden und Fussmatten. Die Kakerlaken waren zu zahlreich, als dass wir sie verscheuchen konnten. Da es nur dicke Eisengitter gab, hatten Moskitos ungehinderten Zugang.

Man steht Schlange, um die einzige Toilette zu benutzen. Viele leiden daher an Durchfall oder Malaria. Das Essen war schlechter als jenes für manche nigerianische Dorfhunde. Ich ass meistens Brot mit Tee, das mir meine Frau zweimal pro Woche brachte.

Ich hatte auch viel Zeit. In den drei Monaten habe ich zehn Bücher gelesen.

 

Wurden Sie von den Gefängniswärtern gefoltert oder von Insassen angegriffen?

Da ich zum dritten Mal ins Gefängnis kam, wussten die Wärter, dass ich kein Krimineller bin. Sie behandelten mich mit einem gewissen Mass an Respekt. Die Chefs in den Zellen schützten mich vor anderen ungehorsamen, respektlosen Insassen. Meine erniedrigendste Aufgabe war es, Wasser für die Toilette zu holen.

 

Hatten Sie auch ermutigende Begegnungen im Gefängnis?

Ja, ich habe junge Menschen getroffen, die wegen ihrer christlichen Aktivitäten im Gefängnis waren. Ich traf einen Pfarrer, der mit seiner Frau inhaftiert wurde, nachdem ein muslimisches Mädchen zum Christentum konvertiert war und deren erboste Eltern sie der Zwangsbekehrung beschuldigten. Durch diesen Pfarrer haben muslimische Häftlinge und hartgesottene Gauner zum Glauben an Christus gefunden.

Hatten Sie damit gerechnet, dass Sie vielleicht jahrelang im Gefängnis hätten bleiben müssen?

Ich wusste von Anfang an, dass ich Weihnachten nicht zu Hause verbringen würde. Das habe ich meiner Frau am Tag meiner Verhaftung gesagt. 

 

Wie haben Sie reagiert, als Sie von Ihrer Freilassung erfuhren?

Ich war glücklich und dankbar gegenüber Gott und all den Menschen, die sich weltweit für mich eingesetzt haben. Es war schön, ohne Handschellen und Gefängniswärter auf die Strasse zu gehen. In der ersten Nacht nach der Entlassung habe ich zwölf Stunden geschlafen.

 

Was haben Sie direkt nach der Entlassung am 3. Februar 2022 gemacht?

Ich ging mit Freunden der SOKAPU, die mich am Eingang abgeholt hatten, in ein Restaurant essen. Als meine Frau von meiner Entlassung erfuhr, kam sie mit dem Taxi zu uns. Sie weinte und lachte, als sie mich umarmte. Als ich zu Hause ankam, stürmten meine fünf Kinder auf mich zu: «Daddy! Daddy! Daddy!!!»

 

Wie fühlen Sie sich jetzt?

Ich fühle mich fit und trainiere dreimal pro Woche. Mein geistiger Zustand ist sehr gut. Meine einzige Sorge ist meine Sicherheit. Aber ich werde deswegen nicht paranoid. Das war schon immer eine Herausforderung. Gott hat alles unter Kontrolle.

 

Sind Sie zuversichtlich, dass Sie letztlich von allen Anklagepunkten freigesprochen werden?

Ja, daran zweifle ich keinen Moment.

 

Haben die drei Monate im Gefängnis einen Einfluss auf Ihre zukünftige Arbeit als Journalist?

Ja, aber wohl anders, als Sie meinen. Meine Inhaftierung ist eine Bestätigung, dass meine Aktionen etwas bewirken. Die Haft hat mir mehr Aufmerksamkeit und Ermutigung denn je verschafft. Ich werde nicht nachgeben. Denn, wie das Sprichwort sagt: «Das Böse triumphiert, wenn die Guten schweigen.»

 

Hat Ihre Familie Sie gebeten, einen weniger gefährlichen Beruf auszuüben?

Meine Frau fühlt sich unwohl, weil ich eine Arbeit ausübe, die trotz hoher Risiken relativ wenig Geld einbringt. Aber sie hat eingesehen, dass ich nebst mit ihr auch mit dem Journalismus und dem Menschenrechts-Aktivismus verheiratet bin. Und sie hat es so akzeptiert. Von meinen fünf Kindern will aber nur eines Journalist werden. 

 

Was ist Ihre grösste Angst?

Meine grösste Angst ist, dass bewaffnete Fulani einen Grossteil des südlichen Kaduna verwüsten könnten. Ich habe auch Angst um meine Kinder, sollte mir etwas zustossen. Nigeria ist ein Staat ohne Sozialleistungen. Ich fürchte um die Christen im Bundesstaat Kaduna und in Nigeria. Aber ich glaube, dass Gott eingreifen wird.

 

Was gibt Ihnen die Motivation für Ihre gefährliche Arbeit?

Für mich ist es die beste Möglichkeit, Christus zu dienen und meinen kleinen Beitrag zu einer gerechten, freien, wohlhabenden und glücklichen Gesellschaft zu leisten.

Interview: Reto Baliarda

 

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Luka Binniyat mit seinem 100-jährigen Vater kurz nach der Entlassung aus dem Gefängnis. csi
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