Tödliche Wahrheit – Journalist flieht aus Nigeria

Für den nigerianischen Journalisten Steven Kefas ist es eine Pflicht, über die mörderischen Angriffe und Vertreibungen von Christen und ethnischen Minderheiten im Bundesstaat Kaduna zu berichten. Dafür wurde er bedroht, ins Gefängnis gesteckt und beinahe vergiftet. Aufgrund konkreter Morddrohungen ist er nun aus Nigeria geflüchtet.

Steven Kefas im Versteck

Gefährliche Flucht: Steven Kefas in seinem Versteck. csi

 

Noch im Januar 2022 hatte der Journalist Steven Kefas für das von Christian Solidarity Internation (CSI) betriebene Internetportal «Nigeria-report.org» einen Beitrag über das Vorgehen der Regierung des Bundesstaates Kaduna gegen Journalisten und Wisthleblower geschrieben. In seinem Report weist Kefas nach, wie Journalisten gezielt verfolgt werden, um sie zum Schweigen zu bringen. Es wird immer offensichtlicher, dass die Behörden die mörderischen Angriffe und brutalen Vertreibungen herunterspielen und nichts dagegen unternehmen. Steven Kefas: «Meine Kollegen und ich werden verfolgt, weil wir über die Morde an unseren Verwandten berichten. Sie haben allen den Krieg erklärt, welche die Hintergründe des Mordens in Süd-Kaduna ans Licht bringen.»

Der Journalist wird entführt und eingesperrt

Am 8. Mai 2019 wird Kefas von – wie er sagt – «staatlichen Agenten» in Port Harcourt entführt. Er sitzt 162 Tage in Haft, weil er im April 2019 einen Artikel veröffentlicht hat mit dem Titel «Wie der Völkermord in Kajura begann». Gesundheitlich schwer angeschlagen, wird Kefas im Oktober 2019 entlassen. Nur sechs Monate später ist er bereits wieder auf der Flucht. Beamte verfolgen ihn. Grund ist ein von ihm über Twitter verschickter Link zum US-Nachrichtenportal «Zenger News». In diesem Artikel steht, dass nach dem Anschlag auf die christliche Gemeinschaft in Chawai am Tatort ein Handy mit gespeicherten Telefonnummern von Militärs sichergestellt worden sei. Im Bericht von «Zenger News» wird vermutet, dass zwischen den Tätern und dem Militär Verbindungen bestehen. Das hat nicht Steven Kefas geschrieben, er hat den Bericht nur verbreitet. Trotzdem beginnt ein Telefonterror gegen ihn. Die Anrufer warnen und bedrohen ihn. Kefas taucht unter.

Giftanschlag in der Nacht

Nach einigen Monaten stoppen die Drohungen und Kefas macht sich wieder an die Arbeit. Ein Brief, den er im Juli 2021 erhält, schockiert ihn. Sein Freund, der Pastor und Menschenrechtsaktivist Gideon Mutum, wird von Terroristen aufgefordert, Kefas mitzuteilen, dass er auf ihrer Todesliste steht. Darauf fliehen Mutum und Kefas in andere Städte. Doch die Verfolgung geht weiter. Im April 2022 sprühen Unbekannte nachts durch das offene Fenster eine Chemikalie ins Schlafzimmer von Steven Kefas. Der Journalist überlebt, liegt jedoch mehrere Wochen im Krankenhaus. Die Ärzte vermuten eine Vergiftung mit Chlorgas.

Die Schlinge zieht sich zu

Erneut wechselt Kefas sein Domizil. Er erfährt, dass sich Unbekannte in seiner ehemaligen Nachbarschaft nach ihm erkundigen. Schliesslich teilt ihm ein Freund per Messenger mit, dass Beamte des Ministeriums für Staatssicherheit nach ihm suchen. Die Schlinge um Steven Kefas zieht sich zu. Am 15. Juli 2022 wird sein Freund, Pater John Mark Cheitnum, entführt und grausam ermordet. Cheitnum war ein mutiger Verteidiger der Menschenrechte. «Es war eine Frage der Zeit, bis mich dasselbe Schicksal ereilen würde», erzählt der Journalist. Kefas wird eindringlich davor gewarnt, Cheitnums Beerdigung beizuwohnen. Aus den Reihen des Geheimdienstes wird ihm zugespielt, seine Entführung sei bereits geplant. Er solle sich sofort ausser Landes in Sicherheit bringen. Am 27. Juli flieht Steven Kefas in Richtung Norden.

Flucht, um zu überleben

Im Interview mit Joel Veldkamp von CSI schildert der Journalist und Christ Kefas aus seinem Versteck, wie er sich auf die gefährliche Reise auf dem Landweg gemacht hat: «Ich verliess das Land mit nichts als den Kleidern am Leib, meinem Reisepass und vor allem mit meinem Glauben. Diese Reise war nie geplant. Aber sie war nötig, um am Leben zu bleiben.» Heute lebt Steven Kefas als Flüchtling in einem fremden Land. «Ich lebe im Exil, nur weil ich mich entschieden habe, für die stummen Männer, Frauen und Kinder zu sprechen, die in Nigeria täglich wegen ihres Glaubens oder ihrer ethnischen Zugehörigkeit massakriert werden.»

Der Konflikt in Nigeria nimmt bedrohliche Ausmasse an

Zum Hintergrund: Mörderische Angriffe durch islamistisch motivierte Fulani-Milizen auf mehrheitlich christliche Dörfer in Zentralnigeria sowie der Einfall von radikal-islamischen Boko-Haram-Kämpfern im Nordosten bedrohen die Stabilität und Einheit des Landes. Die Terrorattacken werden von den Regierenden in den betreffenden Bundesstaaten heruntergespielt, die Angegriffenen werden nicht beschützt und die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen. Journalisten, die darüber informieren, werden bedroht. «Inzwischen erreicht die Vertreibung der christlichen Bevölkerung im Middle Belt das Ausmass eines Genozids», sagt Joel Veldkamp von CSI. Terror und Tod würden gezielt eingesetzt, um die Christen zu vertreiben.

Ist die Regierung an den Angriffen beteiligt?

Bereits sind 145 einst christliche Gemeinden im Süden Kadunas von Fulani-Milizen und ihnen nachfolgenden Siedlern besetzt worden. Das entspricht 10 Prozent des Landes in der Region. Im Bundesstaat Benue sind über eine Million Christen vertrieben worden. Und auch im Bundesstaat Plateau haben Fulani-Milizen zahlreiche christliche Dörfer eingenommen und umbenannt, um die Verbindung zu den früheren Bewohnern zu löschen. «Das ist eine klassische Technik des Völkermords», erklärt Joel Veldkamp. Er ist überzeugt: «Wir sind in Nigeria Zeugen einer organisierten Kampagne der ethnischen Säuberung, vielleicht sogar eines Völkermords.» Die nigerianische Regierung versäume es weitgehend, der Gewalt Einhalt zu gebieten. Vielmehr verfolge sie der Wahrheit verpflichtete Journalisten und Menschenrechtsaktivisten, die sich kritisch äussern. Inzwischen gebe es zahlreiche Indizien dafür, dass Teile der nigerianischen Regierung an diesen Angriffen beteiligt sind.

Online-Plattform von CSI informiert aktuell

In Nigerias «Middle Belt» ist vor den Augen der Welt eine schleichende, ethnische Säuberung in Gang. CSI und andere Menschenrechtsorganisationen wandten sich mit dem dringenden Appell an die UNO, in Nigeria einzugreifen. Nigeria-Report.org ist eine Online-Plattform auf der Christian Solidarity International (CSI) über die Entwicklung in Nigeria informiert. Es kommen auch diejenigen Stimmen zu Wort, die in Nigeria kaum noch zu hören sind.

Rolf Höneisen

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