Befreiung von zwangsislamisierten Mädchen – Ein Kampf gegen Windmühlen

Über 1000 christliche Mädchen werden in Pakistan jährlich entführt, zwangsverheiratet und zum Übertritt zum Islam genötigt. CSI setzt sich für ihre Rettung und Rehabilitierung ein. Eine beschwerliche Aufgabe, wie die Geschichte von Chashman Gulzar (14) zeigt, die immer noch bei ihrem Peiniger ist. Doch Beispiele wie jenes von Sneha Liaqat (16) machen Mut, beim Kampf für diese unschuldigen Mädchen kompromisslos dranzubleiben. Ein Augenschein vor Ort.

Sneha Liaqat (oben, Zweite von links) mit ihrer Familie. csi

Auf ihrer Pakistan-Reise im Januar 2022 hat die CSI-Projektverantwortliche ermutigende Erfolgsgeschichten erlebt – aber auch viel Leid angetroffen. «Ich konnte die neun Familien der zwangsislamisierten und -verheirateten Mädchen, die CSI 2021 unterstützte, treffen. Es war herzzerbrechend, die drei Familien leiden zu sehen, deren Mädchen noch immer bei ihren Entführern leben. Mütter und Väter erzählten mir weinend, wie sehr sie ihre Tochter vermissen. Dass ich mit ihnen weinen und sie in die Arme nehmen konnte, hat ihnen gutgetan. Tröstende Worte gibt es kaum. Ich konnte ihnen nur versichern, dass wir weiterhin für die Freilassung der Mädchen kämpfen und für sie beten».

Befremdliches Urteil

Eine dieser schmerzlich vermissten Töchter ist die 14-jährige Chashman Gulzar. Am 27. Juli 2021 hatte ihr Vater sie zum letzten Mal gesehen. Er lud Chashman vor der Schule ab, wo sie ihre Hausaufgaben für die sechste Klasse abholen konnte, da wegen des Lockdowns kein Unterricht stattfand. Als der Vater am Abend von seiner Arbeit als Rikscha-Fahrer zurückkam, war Chashman nicht zu Hause. Der Vater alarmierte die Polizei, doch diese brauchte fünf Tage, bis sie mit der Suche nach dem Mädchen begann.

Nach einiger Zeit erfuhr die Familie, dass das Mädchen entführt und in einem nahegelegenen Dorf festgehalten wurde. Von dort stammt auch der Entführer, ein Mann namens Muhammad Usman. Als die Polizei ihn verhaften wollte, verteidigte er sich: Er habe das Mädchen dazu gebracht, zum Islam zu konvertieren, und habe es geheiratet. Darauf liess die Polizei ihn gehen und nahm an, die Situation würde sich wieder beruhigen.

Die Eltern versuchten ihr Möglichstes, um ihre Tochter zurückzubekommen. Der Vater suchte Hilfe bei einer lokalen Organisation, die die Familie finanziell unterstützte. Chashman musste schliesslich vor Gericht aussagen, dass sie – wie schon viele Opfer vor ihr – aus freiem Willen den Islam angenommen und geheiratet habe. Als der Fall vor das Oberste Gericht von Lahore gebracht wurde, war das Urteil des Richters ein Tiefschlag: «Ali, der Schwiegersohn des Propheten Mohammed, nahm den Islam mit zehn Jahren an. Wenn er mit zehn Jahren konvertieren kann, dann kann ein Mädchen mit 14 konvertieren.»

Die Eltern haben ihre Tochter seit dem Tag ihres Verschwindens nicht mehr gesehen. Sie haben CSI-Partner Anjum Paul um Hilfe gebeten, da die lokale Organisation den Fall aufgegeben hat.

Selbst befreit

Sneha Liaqat ist 16-jährig. Scheu begrüsst sie uns, als wir den Innenhof ihres bescheidenen Zuhauses betreten. Hinter dem verhaltenen Lächeln verbirgt sich eine mutige junge Frau, die es geschafft hat, selber aus ihrer Gefangenschaft zu entkommen. Die Mutter, seit neun Monaten Witwe, serviert uns stolz Eier und Tee mit Ziegenmilch von den von CSI spendierten Hühnern und Ziegen. Dann beginnt sie zu erzählen, was sich im Juni 2021 ereignet hatte.

Die Mutter erledigte an jenem Morgen die Einkäufe, während Sneha draussen wartete. Als sie herauskam, sah sie nur noch, wie ein Auto losfuhr – gemäss Augenzeugen hatten Männer Sneha in das Auto gezerrt. Die Mutter schrie und rannte dem Auto hinterher, doch sie hatte keine Chance. Sie sah nur noch, dass Rizwan Kaila, ein Mann aus demselben Dorf, am Steuer sass.

Sneha sagte später, man habe sie in ein anderes Dorf gebracht, wo sie acht Tage lang allein in einem Zimmer festgehalten wurde. «Ich hatte schreckliche Angst und weinte oft», erzählt sie. Am achten Tag wurde das Mädchen zu einem muslimischen Geistlichen gebracht, der die Hochzeit von Rizwan Kaila und ihr segnen sollte. Noch am gleichen Tag fuhren sie nach Lahore, um die Hochzeit registrieren zu lassen. Unterwegs ging Sneha auf ein Raststätten-WC und sah plötzlich einen uniformierten Polizisten. «Ich wusste nicht, wie mir geschah, doch ich ging geradewegs auf den Polizisten zu und sagte ihm, dass ich nicht aus freiem Willen hier war». Sie hatte Glück – der Polizist glaubte ihr und nahm Rizwan sogleich in Gewahrsam.

Bis heute ist Rizwan im Gefängnis. Der einflussreiche Clan des Täters versucht zwar, ihn mit allen Mitteln herauszubekommen. Nach pakistanischem Recht kann ein Schuldiger freikommen, wenn die Familien des Täters und des Opfers sich versöhnen, meist durch finanzielle Entschädigungen. Auch Snehas Familie wurden hohe Geldsummen angeboten. Doch dank der finanziellen und moralischen Unterstützung von CSI und dem lokalen Partner bleibt die Witwe standhaft. Sie weiss, wie wichtig es ist, dass Rizwan seine Strafe bekommt. Nur so kommt er vielleicht zur Besinnung.

 

Wir fahren weiter und nähern uns der Cholistan-Wüste, die sich bis nach Indien erstreckt. In einem einfachen Häuschen aus Lehmziegelsteinen wohnt Sadaf Khan mit ihrer Familie. Soeben hat Sadaf ihre sechsmonatige Ausbildung als Kosmetikerin abgeschlossen und lebt nun wieder zuhause bei ihrer Familie.

Über die Weihnachtskarten aus der Schweiz hat sich die ganze Familie riesig gefreut. Sie ermutigen und geben Kraft, weil man weiss, dass man auch an diesem weit abgelegenen Ort nicht allein ist. Sadaf Khan war als 14-Jährige am 6. Februar 2019 von einem muslimischen Nachbarn entführt worden. Sie wurde am selben Tag zum Islam gezwungen und zwangsverheiratet. Dank der Hilfe und Hartnäckigkeit von Anjum Paul anerkannte das Vormundschaftsgericht am 30. April 2021, dass Sadaf zwangsverheiratet wurde. Sie konnte zu ihren Eltern zurückkehren.

Politiker mitschuldig

Jedes Jahr werden in Pakistan Mädchen aus religiösen Minderheiten Opfer von Zwangsislamisierung und -heirat. Die offizielle Zahl liegt bei 1000 Opfern jährlich; die Dunkelziffer ist jedoch viel höher. Zwangsislamisierung erfolgt normalerweise durch Entführung, sexuelle Gewalt und Erpressung. Leider sind die lokalen Behörden oft mitschuldig. Selbst die Gerichte halten sich bei einer Anklage selten an das Gesetz zur Beschränkung der Eheschliessung, welches das heiratsfähige Alter für Mädchen auf 16 Jahre festlegt.

Die Polizei drückt oft ein Auge zu. Sie lässt die Täter straflos gewähren, indem sie sich weigert, eine Anzeige aufzunehmen, oder die Informationen fälscht. Dies hat zur Folge, dass die entführten Mädchen während des gesamten Prozesses in der Obhut ihres Entführers bleiben. Sie werden oft vergewaltigt und gezwungen zu behaupten, dass die Konversion zum Islam oder die Heirat einvernehmlich waren.

Jemanden zu bekehren, wird im Islam als eine fromme Tat erachtet, die Belohnungen bringt, unabhängig davon, welche Methode zur Konversion oder Heirat angewandt wird. Deshalb haben auch die islamischen Geistlichen, die die Eheschliessung vornehmen, nicht die Absicht, die Art der Konversion und das Alter des Mädchens zu untersuchen.

Gesetzesentwurf abgeschmettert

Im Oktober 2021 hat das Ministerium für Menschenrechte einen Gesetzesentwurf ausgearbeitet, welcher die erzwungene religiöse Bekehrung von minderjährigen nicht-muslimischen Mädchen in Pakistan als Straftatbestand darstellt. Der Entwurf wurde jedoch vom Ministerium für religiöse Angelegenheiten und interreligiöse Harmonie als «nicht islamisch» definiert. Der Gesetzesentwurf wurde damit hinfällig und kam nicht vor das Parlament

Schutzhaus für befreite Mädchen

Seit Anfang 2022 unterstützt CSI ein Frauenhaus, um den befreiten Mädchen nach Jahren der Gefangenschaft einen sicheren Aufenthalt zu ermöglichen. Viele der Mädchen sind schwer traumatisiert. Eine Rückkehr zu den Eltern ist riskant, denn oft wohnen die Täter im gleichen Quartier. Die jungen Frauen erhalten während drei bis vier Monaten in einem sicheren Umfeld Zeit, das Erlittene mit Hilfe einer Psychologin aufzuarbeiten. Auch bekommen sie seelsorgerliche Begleitung. Denn nach monatelanger Hirnwäsche ist es wichtig, im eigenen Glauben wieder Fuss fassen zu können.

Projektverantwortliche Pakistan

Hier können Sie für die Opfer von Zwangsheirat und Zwangsislamisierung spenden. Vielen herzlichen Dank.

Ihr Kommentar zum Artikel

Wir freuen uns, wenn Sie hierzu eine Rückmeldung oder Ergänzung haben. Themenfremde, beschimpfende oder respektlose Kommentare werden gelöscht.


The reCAPTCHA verification period has expired. Please reload the page.

Kommentar erfolgreich abgesendet.

Der Kommentar wurde erfolgreich abgesendet, sobald er von einem Administrator verifiziert wurde, wird er hier angezeigt.