16. Dezember 2014

Prophetenbeleidigung – Vorwurf mit Todesfolge

Über tausend Personen wurden in Pakistan in den letzten Jahren wegen Blasphemie angeklagt. Religiöse Minderheiten sind besonders stark betroffen. Gunnar Wiebalck und Shamoon Masih besuchten im November 2014 Angehörige von Blasphemieopfern, um Trost und Hilfe zu spenden.

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«Ein Sieg für den Islam», jubelte Imam Qari Saleem am 16. Oktober 2014 im Gerichtssaal in Lahore. Gerade war das erstinstanzliche Todesurteil für die Christin Asia Bibi bestätigt worden. Mehrere Imame waren anwesend und übten Druck auf das Gericht aus. Saleem hatte die Mutter aus Ittanwali vor fünf Jahren wegen Gotteslästerung angezeigt, nachdem eine muslimische Arbeitskollegin sie beschimpft und in einen Streit verwickelt hatte.

Am 1. November 2014 begegneten wir Asia Bibis Mann, Ashiq Masih, an einem geheimen Ort in Pakistan. Beim letzten Besuch im Zentralgefängnis von Multan sei seine Frau sehr niedergeschlagen gewesen, sagte er. «Sie hat die Hoffnung aufgegeben, jemals wieder in Freiheit zu leben.» Für ihre Freilassung hatten sich selbst Regierungen und Kirchenführer vergeblich eingesetzt, zum Beispiel Papst Franziskus oder Patriarch Kyrill I., das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche.

Asia Bibis Fall kommt jetzt vor das Höchste Gericht Pakistans. Bis zu dessen Entscheidung könnten weitere fünf Jahre vergehen. Und weil es bei pakistanischen Blasphemieverfahren weniger um Gerechtigkeit als vielmehr um Machtdemonstrationen der islamischen Geistlichkeit geht, ist auch dort kaum ein Freispruch zu erwarten.

Schon 50 Mal umgezogen

An einem ebenfalls geheimen Ort trafen wir den christlichen Arzt Dr. Robin Sardar und seine Frau Veena. Das Ehepaar und ihre sechs Kinder mussten ihren Wohnort in den letzten Jahren mehr als 50 Mal wechseln, um sich vor Moscheepredigern und den von ihnen manipulierten Massen zu retten. Die Familie lebte in Frieden, bis es zum Streit mit einem Schuhhändler kam, der seinen mobilen Laden direkt vor Dr. Sardars Klinik aufbaute. Am 4. Mai 2008 behauptete der Händler, der Arzt habe den Bart des Propheten Mohammed mit dem eines Sikh verglichen. Nach der Freitagspredigt am 16. Mai stürmte ein fanatischer Mob Dr. Sardars Haus, die Familie konnte sich im letzten Moment retten.

Keine Sicherheit in Pakistan

Ähnlich geht es einer anderen christlichen Familie, die mit zwei kleinen Kindern seit einigen Wochen im Untergrund lebt und die wir am 4. November 2014 trafen. Eujan und Farhat sind seit einem Überfall im Februar 2014 nicht mehr zur Ruhe gekommen. Die Täter stammen aus Geheimdienstkreisen und erpressten Eujan, um ihre Enttarnung zu verhindern. Ein Verwandter, der Eujan helfen wollte, starb im Juli durch einen Kopfschuss, abgefeuert von Unbekannten. Als dem Ehepaar ein Ultimatum gestellt wurde, zum Islam überzutreten, tauchten sie unter. Anfang November 2014 fanden die Erpresser die junge Mutter und liessen sie erst nach stundenlangen Verhören wieder frei. Die einzige Überlebenschance scheint die Flucht der Familie ins Ausland zu sein.
Am selben Tag, an dem wir in Pakistan Eujan und Farhat begegneten, ging im Dorf Chak 59 bei Lahore ein muslimischer Mob erfüllt von religiösem Hass auf ein christliches Ehepaar los. Sie beschuldigten die in einer Ziegelei arbeitenden n Shahzad Masih und Shama Bibi, Koranseiten verbrannt zu haben. Der wütende Mob brach der schwangeren Shama und ihrem Mann erst beide Beine und warf sie dann in den Ziegelofen, wo sie jämmerlich verbrannten. Die Familie hinterlässt vier kleine Kinder.

Wir sprachen mit weiteren Opfern der Blasphemie-Gesetze, unter anderem mit der verzweifelten Mutter Asmat, deren 24-jähriger Sohn Makesh seit einem Jahr in Haft ist, und mit Nasim, deren Mann Shazad schon zehn Jahre lang im Gefängnis von Gujranwala sitzt, ohne Hoffnung auf Freilassung.

Hier ist Hilfe möglich

Die Blasphemiegesetze sind besonders für die Christen in Pakistan eine grosse Gefahr. Viele sind entmutigt. Umso wichtiger ist es, dass wir ihnen immer wieder unsere Solidarität zeigen.

Das tut CSI zum Beispiel in Peschawar, wo wir vielen bedürftigen Familien Lebensmittel verteilten. In dieser Hochburg der Taliban rissen im September 2013 zwei Selbstmordattentäter über 120 Christen in den Tod, zahlreiche wurden verletzt. Deshalb können viele Familien nicht mehr für sich selber sorgen und sind zudem auf medizinische Behandlung angewiesen. Lesen Sie in den nächsten Magazinen mehr davon, wie es den Überlebenden dank der Hilfe von CSI heute geht. 
Projektleiter Gunnar Wiebalck


Gewalt ist für die Christen in Pakistan tragischer Alltag.

Oft bleibt nichts anderes übrig, als unterzutauchen und zu fliehen, so wie es Eujan und Farhat getan haben. Ihnen wurde eine Frist gesetzt, um zum Islam überzutreten. Zuvor wurde die Familie überfallen und ein Verwandter, der ihnen helfen wollte, durch einen Kopfschuss getötet.

CSI besucht Opfer von religiöser Gewalt, um ihnen individuelle Unterstützung zu bringen, zum Beispiel medizinische Hilfe für Verletzte von Bombenanschlägen, Lebensmittelpakete, Kleidung und Medikamente für untergetauchte Christen und Bedürftige in den Slums. 

Dank Ihrer Solidarität und finanziellen Unterstützung ist dieser wichtige Beistand möglich. 

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