07. Mai 2014

Quasi-Analphabeten wegen SMS zum Tod verurteilt

Shafqat Emmanuel und Shagufta Kausar, ein christliches Ehepaar, wurden zum Tod verurteilt, weil sie ein blasphemisches SMS verschickt haben sollen. Unter islamistischem Druck fällte der Richter dieses Fehlurteil, obwohl keine überzeugenden Beweise gegen das Ehepaar vorliegen.

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Shafqat Emmanuel und seine Frau Shagufta Kausar sind beide etwa 40 Jahre alt. Sie haben vier Kinder zwischen fünf und dreizehn Jahren: Ambrose, Danish, Sarah und Amir. Shafqat ist seit einem schweren Unfall vor zehn Jahren an der unteren Körperhälfte gelähmt, so dass seine Ehefrau Shagufta ihn und die vier Kinder als Putzfrau irgendwie über die Runden bringen muss. Die christliche Familie wohnte in der Kleinstadt Gojra in der Nähe von Faisalabad. Dort ging im August 2009 ein islamistischer Mob auf Christen los, weil angeblich ein Christ Koranseiten verbrannt hat. Acht Christen wurden bei lebendigem Leib verbrannt, mehrere Dutzend Häuser vollständig zerstört. Seit dem April 2014 ist Gojra um eine tragische Geschichte reicher.

Zu Unrecht beschuldigt

Im Juni 2013 wurden Shafqat und Shagufta verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, blasphemische SMS versendet zu haben. Um den Mob zu beschwichtigen, erzwang die Polizei vom gelähmten Vater durch Folter ein «Geständnis». Das Ehepaar besitzt nur rudimentäre Lese- und Schreibkenntnisse, so dass fraglich ist, ob sie überhaupt solche SMS hätten schreiben können. Wie Na­deem Hassan, der Anwalt der Familie, sagte, befand sich das Handy zudem gar nicht mehr im Besitz der Familie. Shagufta hatte es nämlich schon vor über einem Monat verloren. Die Polizei konnte dem Gericht die betreffende SIM-Karte denn auch nicht vorweisen, sondern reichte als Beweis lediglich die Bescheinigung des Handy-Unternehmens ein, wonach die fragliche Nummer an Shagufta vergeben worden war.

Anwälte drohen mit Lynchmord

Anfangs April 2014 fand die Gerichtsverhandlung statt. Die islamistischen Anwälte der Kläger setzten den Richter massiv unter Druck. Sie rezitierten Koranverse, die die Todesstrafe für Blasphemie fordern, und drohten mit Selbstjustiz: Sie seien bereit, «ein Mumtaz Qadri zu werden», wenn der Richter nicht die Todesstrafe ausspreche. Mumtaz Qadri war Leibwächter von Salman Taseer, dem Gouverneur der Provinz Punjab. Im Januar 2011 ermordete Qadri den Gouverneur, weil dieser Asia Bibi im Gefängnis besucht und sich kritisch gegen die Blasphemiegesetze geäussert hatte. (Asia Bibi ist seit Juni 2009 im Gefängnis. Sie wurde im November 2010 ebenfalls wegen Blasphemie zum Tod verurteilt. Ihr Fall ist beim Obergericht in Lahore hängig, siehe «Asia Bibi, gibt nicht auf».

Auf diese Weise eingeschüchtert, verhängte der Richter die Todesstrafe über Shafqat und Shagufta und verurteilte sie zudem zu einer hohen Busse von umgerechnet je etwa 900 Franken.

Freilassung zum Ramadan

In vielen muslimischen Ländern ist es Brauch, zu Feiertagen Gefangene freizulassen – so auch in Pakistan. Wir fordern den pakistanischen Präsidenten Asif Ali Zardari dazu auf, dieses Jahr auch unschuldig verurteilte Opfer der Blasphemiegesetze zu berücksichtigen. Zudem soll Zardari sich dafür einsetzen, dass die Gesetze in einer Weise revidiert werden, die deren Missbrauch verunmöglicht. Es sollen nicht noch mehr Menschen unschuldig verurteilt werden. Autor: Max-Peter Stüssi Quellen: Morning Star News, World Watch Monitor, Asia News, Pakistan Tribune

 


 

Blasphemie-Anklagen überproportional gegen religiöse Minderheiten

Andauernd werden religiöse Minderheiten wegen angeblicher Blasphemie schikaniert. Ein blosses Gerücht reicht den Islamisten, um in Kollektivstrafe ein ganzes Viertel in Brand zu setzen. Von den Anklagen wegen Blasphemie sind die religiösen Minderheiten überproportional betroffen: Von den gut belegten Fällen zwischen 1953 und Juli 2012 richteten sich 59 % gegen (sunnitische und schiitische) Muslime, 26 % gegen Christen, 13 % gegen die muslimische Minderheit der Ahmadis und 1 % gegen Hindus. Von den insgesamt über 180 Millionen Einwohnern Pakistans sind aber nur etwa 3 % Ahmadis und nicht einmal 2 % Christen. Gemäss einer Studie des Center for Research and Security Studies in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad wurde bis 1987 kaum jemand wegen Blasphemie angeklagt. Besonders in den letzten zehn Jahren stiegen die Anklagen aber massiv an. Heute muss man davon ausgehen, dass pro Woche durchschnittlich mindestens zwei Personen wegen Blasphemie angeklagt werden – was tödliche Folgen haben kann: Seit 1990 wurden 52 Personen wegen Blasphemie- Anklagen aussergerichtlich ermordet, einige sogar nach einem Freispruch. Von den Getöteten waren 15 Christen und fünf Ahmadis. Der Staat selber hat bisher noch niemanden wegen Blasphemie hingerichtet.

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