03. April 2017

Sie stand auf der Todesliste von Boko Haram

Weil sie in ihrem christlichen Glauben standhaft blieb, wurde Safiratu Ishaku von der Terrormiliz Boko Haram zum Tode verurteilt. Ein ihr wohlgesinnter Gotteskrieger rettete ihr das Leben. Nach ihrer Flucht fand Safiratu ihre Familie wieder. Sie hofft auf Frieden in ihrer Heimat Gawa.

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Im christlichen Flüchtlingslager der Stadt Jos, das von CSI mitunterstützt wird, treffen die CSI-Mitarbeiter Franco Majok und Reto Baliarda Safiratu mit ihren Kindern Shedrak (14) und Godiya (12). Ihr älterer Sohn Zakaria (16) und Ehemann Ishako Tada sind als Tagelöhner unterwegs. Die anderen sechs Kinder sind bei Verwandten untergebracht.

Jedes Mal, wenn Safiratu an den Überfall von Boko Haram und die schlimme Zeit danach denkt, macht sich in ihr Angst breit. Trotzdem ist es ihr ein Anliegen, uns ihre dramatische Geschichte zu erzählen. Sie spricht mit leiser Stimme und gesenktem Haupt.

Auf der Suche nach Nahrung verschleppt

Scheinbar aus heiterem Himmel griffen Boko-Haram-Extremisten ihr Dorf Gawa (östlich der Großstadt Maiduguri) im Oktober 2014 an. «Sie überfielen Gawa um 8 Uhr morgens und erschossen alle Bewohner, die sie fanden. Meine Familie konnte zum Glück rechtzeitig auf die naheliegenden Hügel flüchten.» Doch da keiner der Geflohenen etwas zu essen bei sich hatte, kehrte Safiratu mit anderen Frauen und 40 als Frauen verkleidete Männer nach Gawa zurück. Sie hatten keine andere Wahl.

Unterwegs wurden sie von den Dschihadisten überrascht und zunächst in die Kleinstadt Ngoshe entführt. Kurz darauf wurden sie alle in den Sambisa-Wald verschleppt, wo sich auch Boko-Haram-Führer Shekau aufhielt. Dort wurden die Männer von den Frauen getrennt. «Doch weil das Gefangenenlager von Boko Haram überfüllt war, wurde ich mit den anderen Frauen in die Stadt Gwoza gebracht», beschreibt Safiratu die Entführungs-Odyssee.

Dem Tod knapp entronnen

Während der Gefangenschaft in Gwoza schien die mutige Frau ihrem Ende nahe. Die Islamisten von Boko-Haram beschlossen willkürlich, einige Frauen umzubringen, die sich nicht zum Islam bekehren wollten. Auch der Name Safiratu Ishaku stand auf der Todesliste. Doch just bevor die Terrormiliz Safiratu mit den anderen betroffenen Frauen zum Exekutionsplatz schleppte, zog sie ein ihr wohlgesinnter Kämpfer unbemerkt weg und versteckte sie unter einem Auto. «Warum er mir so das Leben rettete, weiß ich nicht. Gott muss in jenem Moment eingegriffen haben», ist Safiratu überzeugt. An jenem Tag, der für Safiratu Himmel und Hölle zugleich war, wurden 48 Christen geköpft.

24 Gefangene, darunter auch Safiratu, waren dem willkürlichen und brutalen Vorgehen entronnen. Sie wurden in ein Freiluft-Verlies mit hohen Mauern eingesperrt. Schnell merkten sie, dass diese Mauern zu überwinden waren. Wenige Tage später beschlossen sie nachts, den Fluchtversuch zu wagen. «Wir halfen uns gegenseitig, über die Mauern zu klettern und zogen die anderen nach. So schafften wir es alle, zu fliehen», beschreibt Safiratu diesen entscheidenden Moment. Nach zehntägiger Gefangenschaft, in denen sie immer wieder heftig verprügelt wurde, war sie tatsächlich den Dschihadisten von Boko Haram entkommen.

Alle 24 Befreiten flohen in einen dichten Wald und mussten dort fünf Tage ohne Nahrung ausharren. Als sie endlich einen Weg aus dem Wald fanden, stand ihnen ein Boko-Haram-Checkpoint im Wege. Zum Glück erblickten sie ein nahegelegenes Bauernhaus. Sie flüchteten dorthin und konnten sich als Bäuerinnen verkleiden. So konnten sie den Checkpoint passieren.

Pastor half in der Not

Safiratu floh mit ihrer Gruppe weiter und strandete in der Ortschaft Tur im benachbarten Kamerun. Dort suchten die Fliehenden die Kirche auf, um den Pastor um Hilfe zu bitten. Dieser gewährte ihnen für einige Tage Unterschlupf, bis sie von Soldaten in die Stadt Mazagawe gebracht wurden, wo viele weitere Boko-Haram-Vertriebene gestrandet waren.

Wie überglücklich und erleichtert muss Safiratu gewesen sein, als sie dort nach vier Wochen ihren Mann und ihre Kinder wiedersah. Sie hatten sich auf dem Berg Zalivda versteckt, nachdem Safiratu auf dem Weg nach Gawa nicht mehr zurückgekehrt war. Von dort aus flohen sie weiter nach Mazagawe.

Mit Hilfe des Militärs gelangte die wiedervereinte Familie mit den anderen 23 Geflohenen ins Flüchtlingslager von Yola (Adamawa). «Dort wurden wir aber schlecht behandelt. Wir erfuhren, dass es in Jos ein Lager für Christen gäbe», erklärt Safiratu. Im März 2015 reiste ihr Mann zunächst alleine weiter nach Jos. Zwei Monate später folgte sie mit drei Kindern nach. Die anderen sechs Kinder wurden zu Verwandten nach Maiduguri und Abuja gebracht.

Safiratu vermisst ihre Kinder. Doch wegen des fehlenden Geldes in der Familie ist es vorläufig besser, dass sie bei Verwandten wohnen. Am meisten Sorgen macht sich die neunfache Mutter um die Schulbildung ihrer Kinder. Im Flüchtlingslager in Jos fühlt sie sich sicher. CSI unterstützt die Schule in diesem Flüchtlingslager. Längerfristig möchte Safiratus Familie wieder in ihre Heimat zurück. «Ich bin Gott dankbar, dass ich noch am Leben bin und hier sein kann. Gleichzeitig hoffen wir auf Frieden in Gawa. So könnten wir als ganze Familie wieder zurückkehren.»

 

Reto Baliarda

 


 

Christen fühlen sich im Flüchtlingscamp sicher

 

Pastor Mancha Darong von der «Stefanos Foundation» leitet das Flüchtlingscamp in Jos. Zum Zeitpunkt des Interviews wohnten 231 Menschen im Camp, die alle vor Boko Haram geflohen waren. «Die meisten Leute hier sind deshalb schwer traumatisiert», erklärt Mancha. Zudem benötigen viele medizinische Betreuung. Die Lagerleitung kauft deshalb Medikamente und sorgt dafür, dass einmal pro Woche eine Pflegefachperson vorbeikommt. Die Kinder werden in der Camp-Schule von Freiwilligen unterrichtet.

Außerhalb des Camps unterstützt die Lagerleitung weitere 600 Opfer des Dschihads. Insgesamt waren schon über 5 000 vertriebene Christen im Flüchtlingscamp in Jos, darunter auch einige Mütter von entführten Internat-Mädchen aus Chibok. CSI leistet finanzielle Unterstützung für den Betrieb des Camps.

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