17. Juni 2014

Sklavenbefreiung und Bürgerkrieg

Bei der letzten Sklavenbefreiungsaktion konnten 300 ehemals Versklavte vom Sudan in ihre Heimat zurückkehren. Die Kämpfe im Südsudan haben unsere Arbeit bisher nicht beeinträchtigt. Unser Projektleiter, John Eibner, berichtet über die Lage vor Ort.

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CSI: Du warst mit Franco Majok und Joel Veldkamp im Südsudan. Wie ist die letzte Befreiungsaktion gelaufen? Dr.  John Eibner: Die Aktion verlief sehr gut. Wir waren in der Gegend von Aweil an zwei Orten, die wir regelmäßig als Sammelplätze für die zurückgeführten Sklaven nutzen. Die Rückführer hatten diesmal 300 Menschen dorthin gebracht. Wie jedes Mal haben wir die Zurückgekehrten interviewt und ihre Schicksale dokumentiert. Die Grausamkeiten, die diese Menschen erdulden mussten, sind immer wieder erschütternd. Obwohl der Krieg schon seit 2005 vorbei ist, hat das große Leid für die Versklavten im Sudan bis heute nicht aufgehört. Die Erleichterung der Menschen, wenn sie verstehen, dass sie wirklich frei sind, dass die Misshandlungen und Demütigungen zu Ende sind, und die Freude, wenn sie alte Verwandte oder Bekannte aus ihren früheren Dörfern wiedersehen, ist immer wieder überwältigend.

Musstet ihr besondere Vorsichtsmaßnahmen treffen wegen der Unruhen im Südsudan?

Nein, überhaupt nicht. Die Einreise über die südsudanesische Hauptstadt Juba verlief unproblematisch. In Juba ist es inzwischen wieder ruhig, ebenso in Aweil. Wir konnten die Befreiung und alle anderen Aktionen – die medizinische Erstbetreuung, die Verteilung von Startsäcken, Getreide und Ziegen und das Festessen mit den Befreiten – ungehindert durchführen. Auch in der Klinik von Dr.  Luka ist alles ruhig.

Der Südsudan ist ja sehr groß. Es ist nicht so, dass das ganze Land durch die Kämpfe im Chaos versinkt. Die Problemzonen sind dort, wo die Rebellen sind, im Osten des Landes. Im Westen ist es ruhig. Das gilt auch für unser Einsatzgebiet im Bundesstaat Nördlicher Bahr el-Ghazal.

Wissen die Menschen in den teilweise recht abgelegenen Dörfern überhaupt vom Konflikt im Land? Man spürt die Beunruhigung in der Bevölkerung. Über Soldaten und Flüchtlinge gelangen die Nachrichten auch in abgelegene Dörfer. Zum einen leisten viele der jungen Männer aus der Region Militärdienst. Zum anderen kommen aus den umkämpften Gebieten viele Flüchtlinge in die sicheren Gegenden.

In unseren Medien wird der Konflikt weitgehend als ethnischer Konflikt dargestellt. Welche Beobachtungen habt ihr gemacht?

Es ist sicher einfach, die Kämpfe auf Animositäten zwischen den verschiedenen Stämmen im Südsudan zurückzuführen. Tatsächlich gab es schon immer Spannungen zwischen den Ethnien, besonders zwischen den großen Stämmen der Dinka, der Nuer und der Schilluks. Man kann den Konflikt jedoch nicht nur auf diese Spannungen reduzieren. Wir waren zum Beispiel in einem Flüchtlingslager der Regierung in Warrap (siehe Karte). Im Lager sind etwa 17  000 Flüchtlinge untergebracht. Es sind vorwiegend Nuer aus dem Bundesstaat Unity. Sie berichteten uns, dass sie von Rebellen angegriffen und vertrieben worden waren. Diese Rebellen waren jedoch keineswegs Dinka, sondern ebenfalls Nuer wie die Flüchtlinge. Die ethnischen Trennlinien sind nicht der eigentliche Grund für die Rebellion. Der aktuelle Konflikt entwickelte sich aus einem Machtkampf, in dem Rebellen aus verschiedenen Stämmen die Regierung – auch sie besteht aus mehreren Stämmen – angriffen und versuchten, Präsident Salva Kiir abzusetzen.

Inwieweit betrifft dieser Konflikt unsere Arbeit? Es besteht die Gefahr, dass sich die Kämpfe auf andere Landesteile ausdehnen. Wenn das passiert, könnte sich die Sicherheitslage drastisch verschlechtern und unsere Reisen in den Südsudan erschweren. Wenn in diesem Machtspiel weiterhin die ethnische Karte gespielt wird, steigt außerdem das Risiko für Pogrome und Völkermord. Hier müsste die Staatengemeinschaft dringend aktiv werden. Damit der junge Staat überhaupt eine Chance hat, müsste gerade jetzt Unterstützung von außen kommen, um die verfassungsmäßige Ordnung und Rechtstaatlichkeit zu stützen. Der Südsudanesische Kirchenrat, der aus Vertretern aller größeren Kirchen besteht, die wiederum aus allen ethnischen Gruppen kommen, hat wiederholt zu Einheit und Frieden aufgerufen. Es ist wichtig, dass diese Kräfte unterstützt werden. Die Lage ist nicht hoffnungslos.

Autor: Benjamin Doberstein

 


 

Steckbrief von zwei befreiten Sklaven

Garang Wiel Wiel und Bol Deng Agou sind zwei von 300 Versklavten, die CSI befreien konnte. Wir brachten sie in ihre Heimat im Südsudan zurück und rüsteten sie im Mai 2014 für einen Neuanfang aus. Alle 300 erhielten einen Startsack mit den wichtigsten Utensilien wie zum Beispiel eine Sichel oder einen Kochtopf, Getreide und eine Ziege.

Garang Wiel Wie

  • 43-jährig
  • Aus Waragang
  • Versklavt seit der Trockenzeit von 1996
  • Im Sudan in Musa Kajier umbenannt
  • Geschlagen, beschimpft; Zwangsarbeit

Bol Deng Agou

  • Mitte 30
  • Aus Ariat
  • Versklavt seit der Trockenzeit von 1992
  • Im Sudan in Abusheib Adam umbenannt und zum Islam gezwungen
  • Geschlagen, beschimpft; Zwangsarbeit
  • Augenzeuge mehrerer Exekutionen von Sklaven
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