Protest: Stoppen Sie Hass und Hetze in Schulbüchern!

In der Verfassung verboten, trotzdem Alltag: Schulkinder in Pakistan werden mit dem Islam indoktriniert, auch wenn sie Nichtmuslime sind. Intoleranz gegen nichtmuslimische Religionen ist allgegenwärtig. Wir fordern neutrale Schulbücher und Unterricht in der eigenen Religion.

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Stellen Sie sich vor, Sie sind ein christliches Mädchen in Pakistan und besuchen in einer öffentlichen Schule die zweite Klasse. Sie lernen gerne neue Dinge, gehen aber nicht so gerne zur Schule, weil Sie oft gehänselt werden. Ihre MitschülerInnen sagen Ihnen, Sie seien ungläubig, und setzen Sie unter Druck, Muslimin zu werden. Manchmal lesen Sie in einem Schulbuch schlechte Dinge über Christen. Dann schauen alle plötzlich auf Sie und sogar Ihre Lehrerin fragt, wie Sie nur einen solchen Glauben haben können. Im Schulbuch stehen auch falsche Dinge über Ihren Glauben, zum Beispiel sei Jesus Christus nicht gekreuzigt, sondern von Gott gerettet worden.

Englisch ist Ihr Lieblingsfach. Manchmal sind Sie ein bisschen traurig, dass Sie auch da eine Aus­senseiterin sind. «Mein Grossvater ist im Wohnzimmer», lernen Sie auf Englisch. «Er rezitiert aus dem Heiligen Koran.» Ihr Grossvater ist aber Christ.

Eine Freundin von Ihnen aus der vierten Klasse hat die Schule abgebrochen. Sie ist ebenfalls Christin und ertrug den Spott nicht mehr.

Lehrmittel für Muslime

Christen sind häufig Fremdkörper in pakistanischen Schulen. Die Lehrmittel sind für Muslime geschrieben, ganz egal, ob es um Allgemeinbildung, Sprachen oder selbst naturwissenschaftliche Fächer geht. Sie verherrlichen den Islam, die muslimische Kultur und Zivilisation.

Nichtmuslimische Religionen und Kulturen werden in den meisten Lehrmitteln ausgeklammert oder schlecht gemacht. Solche Darstellungen verstärken bei der muslimischen Mehrheit Vorurteile und Intoleranz gegen religiöse Minderheiten.

Englisch-Lehrbuch, dritte Klasse: «Anschliessend ging ich in das Islamische Museum. Ich war überrascht, die Kreativität von Muslimen aus aller Welt zu sehen.» Arabisch-Lehrmittel, siebte Klasse: «Meine Eltern sind Muslime», «Alle Muslime sind Brüder». Naturwissenschaft, erste Klasse: «Der Prophet (S.A.W.) sagte: Ein Mundvoll Honig heilt.»

Mit Prophet ist Mohammed gemeint, S.A.W. ist die arabische Abkürzung für «Friede sei mit ihm». Wird Mohammed erwähnt, muss diese arabische Formel immer angefügt werden. Das ist für Ungeübte sehr schwierig. Es kam schon vor, dass nichtmuslimische Lehrkräfte und Schulkinder wegen Blasphemie beschuldigt wurden, weil sie die Wörter nicht korrekt aussprechen konnten.

Religion gehört in den Religionsunterricht

Gemäss der pakistanischen Verfassung darf niemand gezwungen werden, dem Unterricht in einer anderen Religion als der seinen zu folgen (Art. 22 Abs. 1). Anjum James Paul, Assistenzprofessor für Politologie und CSI-Projektpartner, fordert deshalb seit Jahren, dass die Religion nur im Religionsunterricht vermittelt wird. Nichtmuslimische Schulkinder sollen in ihrer eigenen Religion unterrichtet werden. Er setzt sich zudem für neutrale Lehrmittel ohne Hetze gegen andere Religionen ein.

Anjum Paul präsidiert den Pakistanischen Verein für Lehrpersonen der Minderheiten (PMTA), den er 2004 gegründet hat. Zwischen 2007 und 2018 hat er in 25 Studien die Lehrmittel aller pakistanischen Provinzen analysiert und die Ergebnisse allen wichtigen Instanzen auf nationaler und auf Provinzebene vorgelegt.

Als Mitglied des Lehrmittel-Überprüfungskomitees in der Provinz Punjab kann Anjum Paul konkret zu Verbesserungen beitragen. Im Geschichtsbuch der achten Klasse stammt ein Kapitel über den Beitrag der Christen zur Entstehung von Pakistan aus seiner Feder. Er gibt trotz allem die Hoffnung nicht auf: «Ich bin sicher, dass der Tag kommt, an dem Pakistan die Schönheit der Vielfalt erkennen wird und wir alle gleich behandelt werden.»

Pakistan-Projektmanagerin und Adrian Hartmann

Die Lehrbuch-Beispiele stammen aus der Analyse, die CSI-Partner Anjum James Paul im Oktober 2019 für das Centre for Social Justice in Lahore durchgeführt hat.


Nationaler Lehrplan ab 2021

Ab dem nächsten Schuljahr (Beginn im April 2021) soll landesweit ein einheitlicher Lehrplan eingeführt werden. Damit sollen auch die rund 30 000 Koranschulen (Madrassas) unter die Kontrolle des Erziehungsministeriums gebracht werden, die bisher unabhängig agierten. Viele von ihnen fördern den Extremismus und stellen somit ein Sicherheitsrisiko dar. Der Verein der Minderheiten-Lehrpersonen, den Anjum Paul präsidiert, steht dem Nationalen Lehrplan kritisch gegenüber: «Er schliesst die religiöse und kulturelle Vielfalt aus und verstösst gegen Artikel 22 Absatz 1 der pakistanischen Verfassung.» Der Verein fordert die Überarbeitung des Lehrplans.

Ein Ahmadi zur Situation der Ahmadi-Schulkinder

Der schweizerisch-pakistanische Doppelbürger Dr. Yahya Hassan Bajwa aus Baden gehört als Ahmadi zu einer religiösen Minderheit, die in Pakistan besonders schlimm verfolgt wird. Er schreibt:

«In Pakistan hatten wir einen Lockdown wegen Covid-19. Der schwerwiegendere Lockdown ist jedoch der intellektuelle. Die Ahmadiyya ist die einzige Gruppe, die sich selber als muslimisch bezeichnet, aber 1974 gesetzlich zur nichtmuslimischen Minderheit erklärt und der Apostasie bezichtigt wurde. Seitdem werden die Ahmadis in der Gesellschaft straflos diskriminiert, verfolgt und umgebracht.

Am 10. Juni 2020 erliess das Parlament der Provinz Punjab ein neues Schulbuchgesetz. Jedes Buch muss einem Gremium von ‹Islam-Gelehrten› vorgelegt werden, das überprüft, ob der Inhalt dem Islam entspricht. Ziel ist, die Finalität des heiligen Propheten Mohammed und alles, was ‹islamisch› ist, zu schützen. Eine Lehrperson darf die Ahmadi-Lehre und Ahmadi-Kinder beschimpfen und erniedrigen. Wehren kann man sich nicht! Das erklärte Ziel ist es, Pakistan ‹vor Terrorismus und Extremismus zu schützen und die religiöse Harmonie zu fördern›.»

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