
Ältere Menschen leiden in Syrien besonders stark unter den Folgen des Kriegs, auch Christen. Viele leben isoliert, weil ihre Kinder weit weg wohnen. CSI-Partnerin Schwester Fadia hat ein grosses Herz für sie. Zusammen mit Freiwilligen besucht sie regelmässig über 80 vernachlässigte Senioren in zehn christlichen Dörfern der Provinz Tartus, um sie mit Medikamenten und Nahrungsmitteln zu versorgen.
Schwester Fadia übernahm 2019 die Verantwortung eines Klosters in Kafroun, 60 Kilometer östlich der Küstenstadt Tartus. Zu Beginn ihres Dienstes betreute sie regelmässig 250 Kinder aus umliegenden Dörfern. Sie unterrichtete Religion und stellte Freizeitaktivitäten für sie auf die Beine. Mit dem Beginn der Covid-19-Pandemie im März 2020 fand der Dienst für die Jugendlichen ein abruptes Ende. Schwester Fadia liess den Kopf aber nicht hängen und nutzte diese ruhige Zeit, um regelmässig im Kloster zu beten. Während dieser Entschleunigungs-Phase kam ihr eine Aussage von Papst Franziskus in den Sinn, die sie nicht mehr losliess: «Und das ist ein Drama unserer Zeit: die Einsamkeit der alten Menschen.» Gesagt, getan: Schwester Fadia stattete die ersten Besuche bei älteren Menschen ab und brachte ihnen Medikamente und Lebensmittel.
Schon bei ihren ersten Besuchen stellte die umtriebige Schwester fest, dass etliche ältere Menschen an chronischen Krankheiten wie Nierenversagen oder Krebs litten und unbedingt hospitalisiert werden mussten. Doch um diese gebrechlichen Menschen ins nächstgelegene Krankenhaus zu bringen, benötigte Schwester Fadia nicht nur ein Auto, sondern auch zusätzliche Mittel fürs Benzin, das wegen der Treibstoffknappheit in Syrien nur zu überhöhten Preisen erhältlich ist.
In solch herausfordernden Momenten sind dem Einfallsreichtum von Schwester Fadia kaum Grenzen gesetzt. Kurzerhand startete sie einen Aufruf in den sozialen Netzwerken und bat um finanzielle Unterstützung. «Ich war selbst überrascht über die unvergleichliche Grosszügigkeit der Menschen», strahlt sie.
Doch die Schwester hatte noch eine zweite Vision. Die ersten Besuche hatten ihr auch gnadenlos vor Augen geführt, wie elend die Lage vieler älterer Menschen ist: «Es sind einsame, gebrechliche Menschen, die von der Welt abgeschnitten sind. Sie können sich oft kaum bewegen, geschweige denn sich um ihre Hygiene kümmern. Obendrein leiden sie an Unterernährung.» Ihre Kinder, so Schwester Fadia weiter, lebten zumeist weit weg und kümmerten sich kaum um ihre Eltern.
Schwester Fadia nimmt Kontakt auf mit Priestern, Bürgermeistern und Bekannten aus zehn christlichen Dörfern rund um Kafroun. Sie will herausfinden, wer die bedürftigsten Menschen sind, die dringend Hilfe brauchen.
Ihre Recherchen ergeben, dass Dutzende von schwerster Not betroffen sind. Doch um ihnen zu helfen, ist Schwester Fadia auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Sie bittet nach Deutschland ausgewanderte Bekannte und Freunde sowie CSI um Hilfe. Ihr Ziel ist klar: Sie will diese im Stich gelassenen Senioren besuchen, Mahlzeiten anbieten und ihnen die monatlich notwendigen Medikamente geben.
Die gemeinsame Unterstützung ermöglicht es Schwester Fadia, über 80 ältere Menschen in zehn Dörfern zu betreuen. Um diesen immensen Dienst zu leisten, begleiten sie zwei Freiwillige aus Tartus: Naziha Issa und ihr Sohn Gaby, der Arzt ist. Naziha kocht jeden Freitag und Sonntag zusammen mit einem Koch etwa 50 Mahlzeiten für zwei Tage. Diese werden von freiwilligen Helferinnen am Vortag vorbereitet.
CSI unterstützt Schwester Fadia bei ihrer neuen Aufgabe, gefährdete ältere Menschen wöchentlich zu Hause aufzusuchen und sie mit Mahlzeiten und Medikamenten zu versorgen. Die Freude der Besuchten ist jeweils grenzenlos, wenn Schwester Fadia, Naziha Issa und Gaby vorbeikommen, um sie zu verpflegen, ärztlich zu betreuen und insbesondere auch Achtung und Zuwendung entgegenzubringen. «Wir haben sie mittlerweile ins Herz geschlossen, als ob sie unsere eigenen Kinder wären», bemerkt Schwester Fadia.
Schwester Fadia stammt aus der Provinz al-Hasaka im Nordosten Syriens. Sie lebte 15 Jahre lang im Libanon und wurde dann nach Syrien berufen. Bei ihrer Tätigkeit lag ihr die Jugend stets am Herzen. Vor drei Jahren beschloss der Orden der Schwestern der Heiligen Herzen von Jesus und Maria, das Kloster in Kafroun zu schliessen. Darüber waren die Bewohner in den umliegenden Dörfern sehr erschüttert. Sie baten die Oberschwester, das Kloster wieder zu öffnen. Doch dafür fehlte eine jüngere Ordensschwester in der Umgebung. Der Orden erachtet es daher als Gottes Eingreifen, dass Schwester Fadia aus Tartus sich anerbot, die Verantwortung fürs Kloster zu übernehmen, so dass es jeweils von Donnerstag bis Sonntag geöffnet ist.
Reto Baliarda
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