Vom vermeintlichen Tod zum Leben: Jetzt betreibt Simon seine eigene Autowerkstatt

Während seines neunjährigen Kriegsdienstes musste Simon miterleben, wie alle seine Kameraden umkamen. Trotz seiner traumatischen Erfahrungen steckt der junge Syrer seinen Kopf nicht in den Sand. Vielmehr ergreift er die Chance, die ihm die CSI-Partnerorganisation «Blaue Maristen» gibt. Heute führt er in Aleppo seine eigene Autowerkstatt.

Durch seine Zuverlässigkeit konnte Simon mehrere Kunden gewinnen. csi

Autos haben Simon (30) schon als Kind fasziniert. Dennoch erstaunt es, dass er schon als Zwölfjähriger die Schule abbrach, um den Beruf des Automechanikers zu erlernen.

Kameraden im Dienst gefallen

Als Simon mit 18 Jahren zum Militärdienst eingezogen wurde, ging er davon aus, dass er wie üblich nach eineinhalb Jahren ins zivile Leben zurückkehren würde. Doch es kam anders: Der Krieg brach aus, und Simon musste für unbestimmte Zeit als Soldat der syrischen Armee dienen und gegen die Feinde kämpfen.

Schlussendlich wurden aus den vermeintlichen 18 Monaten neun Jahre und drei Monate, in denen Simon selbst immer wieder um sein Leben fürchten musste. Zwar konnte er während des gesamten Kriegsdienstes seinen Beruf als Automechaniker ausüben und die Fahrzeuge der Offiziere instand stellen.

Doch der Krieg hat den jungen Soldaten immer wieder an seine persönlichen Grenzen gebracht. Alle seine Kameraden, mit denen er die militärische Ausbildung absolviert hatte, fielen im Verlaufe des Kriegs. Sein melancholischer Blick verrät die tiefen seelischen Wunden, die ihm diese schmerzlichen Erfahrungen zugefügt haben. «Gleichwohl bin ich Gott dankbar, dass ich heute noch lebe», fügt er an.

Dank JOB eigene Garage

Simon ist 28-jährig, als er aus der Armee entlassen wird. Während er nach einer Arbeit suchte, erfuhr er vom Kleingewerbe-Programm JOB, welches die Blauen Maristen anbieten. Diese einheimische Freiwilligen-Organisation, die von CSI-Partner Nabil Antaki, seiner Frau Leyla und Bruder George in Aleppo mitgegründet wurde, möchte damit jungen Menschen wie Simon die Möglichkeit geben, ein kleines Geschäft zu eröffnen und ihnen die finanzielle Unabhängigkeit zu sichern. «Diese Chance wollte ich mir nicht entgehen lassen», bemerkt Simon. Er meldete sich für eine 20-stündige Schulung bei JOB an.

Dank seiner Entschlossenheit absolviert der junge armenische Christ das Programm erfolgreich und erfüllt sich damit den Traum von einer eigenen Autowerkstatt. Begleitet von einem Mentor der Blauen Maristen kann er mit der finanziellen Unterstützung von CSI eine Garage mieten. Diese findet er in Midan, einem Stadtteil von Aleppo, der vor allem von Armeniern und Kurden bewohnt wird. Voller Elan und Zukunftshoffnung besorgt er sich die nötigen Werkzeuge, um die Garage in Betrieb zu nehmen.

Manchmal bis Mitternacht an der Arbeit

Simon packt diese einmalige Chance. Er ist tüchtig, arbeitet täglich von 9 Uhr morgens bis spätabends, an gewissen Tagen sogar bis Mitternacht. Dank der JOB-Schulung kann er zudem selbständig Kalkulationen und ein Budget erstellen und so Verantwortung für die Finanzen seiner Autowerkstatt tragen.

«Nur mit viel Einsatz vermag ich in diesen schwierigen Zeiten zu überleben», erklärt er. Innerhalb eines Jahres baute sich Simon auch dank seiner Freundlichkeit einen stattlichen Kundenstamm auf. Dies ermöglichte ihm, eine zusätzliche Arbeitskraft einzustellen. Zudem konnte er den Mietvertrag um ein Jahr verlängern. Mit den Einnahmen ernährt Simon schliesslich auch seine beiden Geschwister und die Eltern.

Dankbar für die Nachbetreuung

Der junge Syrer liebt es, selbständig zu arbeiten und sein eigener Chef zu sein. «Ich muss mir keine Sorgen machen, dass mich ein Manager eines Tages entlässt, falls ich beispielsweise krank wäre», erklärt er. Zugleich ist er dankbar, dass das JOB-Projekt der Blauen Maristen eine dreijährige Nachbetreuung beinhaltet: «Mein Mentor besucht mich einmal im Monat. Gemeinsam besprechen wir, wie sich das Geschäft entwickelt und welche Hilfe ich noch in Anspruch nehmen könnte.»

Bleibt er in Syrien?

Auf die Frage, wie er sich seine langfristige Zukunft vorstellt, reagiert Simon zunächst zögerlich. Die schwere Wirtschaftskrise in Syrien setzt dem 30-jährigen Christen zu. «Ich würde sehr gerne eine Familie gründen. Doch kann ich mir dies in dieser schwierigen Lage überhaupt leisten?» fragt er sich und schliesst nicht aus, bei einer günstigen Möglichkeit auszuwandern. Handkehrum ist er Gott dankbar, dass er ein Haus hat, eine eigene Autowerkstatt erfolgreich betreibt und von den Anwohnern geschätzt wird. «Das Kleingewerbe-Projekt der Blauen Maristen ermutigt mich, mich weiterhin zu engagieren und nicht zu verzweifeln», meint er hoffnungsvoll.

Reto Baliarda


Zukunftsperspektive dank «JOB»

Allen Widrigkeiten zum Trotz glauben die CSI-Partner der Blauen Maristen fest daran, dass Bildung den Menschen nachhaltig positiv beeinflusst und sie zu einem Werkzeug des Friedens macht. Durch das «JOB»-Programm – eine Anspielung auf den biblischen Propheten Hiob und auf das englische Wort «job» – helfen die Blauen Maristen arbeitslosen Menschen bei der sozialen und beruflichen Wiedereingliederung. Sie bieten ihnen Schulungen zur Gründung eines Startups an. Am Ende des Programms erhalten die vielversprechendsten Projekte eine Anschubfinanzierung und einen Mentor für das erste Jahr. Simons Autowerkstatt gehört zu diesen ausgewählten Projekten.

 

Ihr Kommentar zum Artikel

Wir freuen uns, wenn Sie hierzu eine Rückmeldung oder Ergänzung haben. Themenfremde, beschimpfende oder respektlose Kommentare werden gelöscht.


The reCAPTCHA verification period has expired. Please reload the page.

Kommentar erfolgreich abgesendet.

Der Kommentar wurde erfolgreich abgesendet, sobald er von einem Administrator verifiziert wurde, wird er hier angezeigt.