Sie haben den schlimmen Missbrauch in der Sklaverei überlebt

Die beiden Südsudanesinnen Anuk Garang Akot und Abuk Akech Yai wurden als Kinder von muslimischen Milizen in den nördlichen Sudan entführt und versklavt. Ihre Gebieter missbrauchten sie auf brutale Weise. Im November 2023 konnten Anuk und Abuk befreit und in ihre Heimat zurückgeführt werden. Obwohl ihr Leben in Freiheit manchmal herausfordernd ist, sind beide überglücklich.

Anuk kann ihr Glück kaum fassen: Sie ist ein freier Mensch und kann ihre Zukunft nun selbst in die Hand nehmen. csi

Anuk Garang Akots Leidensweg begann, als sie und ihre Mutter vom damaligen christlich-animistischen Süden in den muslimischen Norden des Sudans entführt wurden. Im Norden angekommen, wurden sie an verschiedene Herren als Sklaven verkauft. «Ich fand mich in einem grossen Haus wieder. Mein Leben war fortan von Arbeit, Misshandlung und ständiger Erniedrigung geprägt», erzählt Anuk.

Vom Regen in die Traufe

Ihr Sklavenhalter war grausam und setzte sie wiederholt sexuellen Übergriffen aus. Nachdem sie diese Qualen jahrelang ertragen hatte, wurde Anuk als Sklavin an Mohammed weitergereicht. Dieser missbrauchte sie noch mehr, schildert Anuk traurig: «Mohammeds tägliche körperliche Übergriffe hinterliessen bei mir einen unauslöschlichen Schmerz und den sehnlichen Wunsch, ihn nie wieder zu sehen.»

Fluchtversuch hätte wohl tödliche Folgen

Immer wieder spielte Anuk mit dem Gedanken, zu fliehen. Doch wohin hätte sie gehen können? Mohammed besass Gewehre und Pferde, und die Sudanesen hatten kein Mitgefühl für Menschen aus dem Südsudan. «Ich musste einsehen, dass ein Fluchtversuch wahrscheinlich meinen Tod bedeutet hätte. So gab ich alle Hoffnung auf», erzählt sie.

Anuks Welt ohne Familie und Freunde blieb eine Welt der Einsamkeit und des Leidens. Ihre einzigen Gefährten waren andere Sklaven aus ihrer Heimat. Doch auch bei ihnen konnte sie ihr Herz nicht ausschütten, da jeder von ihnen von seinem eigenen Schmerz verzehrt wurde.

Langer Marsch in die Freiheit

Dass sich für Anuk mit 20 Jahren eine neue und freie Welt öffnen würde, davon hatte sie nicht mehr zu träumen gewagt. Doch tatsächlich schaffte es ein von CSI beauftragter sudanesischer Geschäftsmann, sie im November 2023 im Austausch gegen Medikamente für Nutztiere aus der Sklaverei zu befreien. Zusammen mit zehn anderen Befreiten begab sich Anuk auf einen anstrengenden 15-tägigen Marsch, der sie nach Aweil im Südsudan führte.

Nach ihrer Ankunft wurde Anuk in der Dorfgemeinschaft herzlich aufgenommen, die ihr die Möglichkeit gibt, sich ein neues Leben aufzubauen. Gleichzeitig wird nach verlorenen Angehörigen gesucht. Von CSI erhielt die 20-Jährige einen Sack mit einer Plane, Bettzeug, Essensrationen und eine Ziege – Hilfreiches für den Neuanfang.

In der Gastgemeinde lernt Anuk nun, ein selbständiges Leben zu führen. Für die junge Frau bedeutet dies Freude und Herausforderung zugleich. Denn dieser Neuanfang ist mit Ungewissheit verbunden. «Doch ich bin überglücklich, dass ich frei bin und nun Aussicht auf eine Zukunft voller Hoffnung, Heilung und Perspektiven habe. Herzlichen Dank, dass ihr mich befreit habt», strahlt Anuk.

Ein neuer Aufbruch für Abuk Akech Yai

Abuk Akech Yai (34) wurde im Oktober 2023 im Sudan befreit. Als sie nach über zwei Jahrzehnten Gefangenschaft ihre Heimat wiedersah, kam ihr die Umgebung sowohl fremd als auch bekannt vor.

Nach einem dreitägigen Fussmarsch wurde sie im Südsudan von einer lokalen Gemeinschaft in die Arme geschlossen. An diesem Ort entdeckte Abuk bei den gemeinsamen Mahlzeiten etwas, das sie für immer verloren glaubte – ein Gefühl der Hoffnung. Gleichwohl bemerkt sie: «Meine Vergangenheit ist zu schmerzhaft, als dass ich sie einfach abschütteln könnte.»

Erinnerungen an den Schrecken

Als Kind entführt und versklavt, wuchs Abuk im Haus ihres Gebieters Mohammed auf, dessen Grausamkeit keine Grenzen kannte. Unter Drohungen musste das arme Mädchen täglich Hausarbeit verrichten und auch Getreide mahlen, bis ihre Hände voller Blasen waren. «Meine Zeit als Sklavin im Sudan war nicht nur von beinharter Arbeit, sondern auch von unsäglichem sexuellem Missbrauch geprägt», erinnert sie sich leider nur allzu gut.

Doch selbst in dieser 20 Jahre dauernden Dunkelheit gab es einen Lichtschimmer, welcher Abuk die Kraft zum Ausharren verlieh: ihr Kind, das sie innigst liebt, unabhängig von den schrecklichen Umständen, die zur Schwangerschaft führten. «Das Kind trägt schliesslich keine Schuld», sagt sie mit Überzeugung.

Nach der Befreiung durch einen CSI-Beauftragten und der Rückführung in den Südsudan hegt Abuk den Wunsch, zu heiraten. «Ich hoffe, einen Mann zu finden, der bereit ist, mich und auch mein Kind in seine Arme zu schliessen.»

Verwandte wiedergefunden

Während Abuk sich an ihr neues Leben gewöhnt, findet sie Freude an kleinen Dingen, die das Leben in Freiheit unter ihrem Volk mit sich bringt: das Lachen der Kinder, der Duft des auf offener Flamme kochenden Essens, die sanfte Berührung durch die Hand eines Verwandten. «Zu meiner Überraschung habe ich hier einige Verwandte wiedergetroffen. Dies fühlt sich an wie ein erfrischender Regen nach langer Trockenheit.» Sie dankt CSI für die Starthilfe, vor allem aber Gott, der sie befreit hat.

Versklavungen während des Bürgerkriegs

Anuk und Abuk waren Opfer des sudanesischen Bürgerkriegs, der von 1983 bis 2005 dauerte. Arabisch-muslimische Milizen aus dem Norden nahmen hunderttausende Erwachsene und Kinder aus dem Süden gefangen, darunter auch Anuk und Abuk, versklavten sie und setzten sie unerträglichen Bedingungen aus.

Der mehrheitlich christliche Südsudan erklärte im Juni 2011 seine Unabhängigkeit vom Sudan. Dennoch befinden sich noch immer Tausende von Südsudanesen in sudanesischer Knechtschaft. CSI setzt sich weiterhin für die Befreiung aller versklavten Menschen ein.

Reto Baliarda

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