Kein Lockdown in Nicaragua – Die Lage ist prekär

Auch in Nicaragua leiden die Menschen unter den Folgen der Corona-Pandemie, jedoch mit umgekehrten Vorzeichen im Vergleich zu den meisten anderen Ländern. An Stelle eines Lockdowns fördert die Regierung die Ansammlung von Menschen. Viele ergreifen aus Eigeninitiative Sicherheitsmassnahmen wie Social Distancing. Gleichzeitig haben auch in Nicaragua mehrere tausend einfache Arbeiter ihren Job verloren. Die CSI-Partner vor Ort erreichen mit ihrer Lebensmittelverteilung Hunderte von Menschen, darunter auch Don Efrain.

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Weltweit haben die meisten Länder wegen der Corona-Pandemie ihre Grenzen geschlossen und strikte Sicherheitsmassnahmen zum Schutz ihrer Bevölkerung getroffen. Nicht so in Nicaragua. Bis heute werden die Existenz und die daraus folgenden Konsequenzen von der nicaraguanischen Regierung verharmlost. Trotz dringlicher Warnung aus dem In- und Ausland bekräftigt die Regierung, bereits wichtige Massnahmen getroffen zu haben.

In diesen Zeiten des Ausnahmezustands ist der Regierungschef für einen Monat von der Bildfläche verschwunden. Dies hat das Volk sehr verunsichert und nicht das Gefühl vermittelt, geschützt zu werden. Im Gegenteil, die Landesgrenzen bleiben weiterhin für alle Einreisenden offen. Zwar tun dies mittlerweile nur noch wenige Leute freiwillig. Doch noch lange nach den weltweiten Schliessungen der Landesgrenzen reisten Kreuzfahrt-Touristen in Nicaragua ein. Bis heute wurde keine offizielle Ausgangssperre verhängt. Desinfektionsmittel, Handschuhe und Schutzmasken sind kaum erhältlich, und wenn, dann nur zu horrenden Preisen.

Warnenden Ärzten droht Inhaftierung

Viele Ärzte haben ihren Job bereits verloren, weil sie Fälle von Corona-Virus gemeldet und auf die dramatische Situation hingewiesen hatten. Ärzte wurden mit Inhaftierung bedroht, sollten sie über weitere Fälle berichten. Die 26‘000 Tests, die von der Zentralbank von Lateinamerika vor ein paar Wochen gespendet wurden, sind bis heute nicht eingesetzt worden.

Privaten Krankenhäusern bleibt die Behandlung von Coronavirus-Angesteckten verwehrt. Nur staatliche Spitäler dürfen dies tun, damit der Staat «die Kontrolle» über die aktuellen Zahlen hat. Doch niemand weiss, wie viele Menschen bereits erkrankt oder sogar gestorben sind. Offiziell wurden bisher erst zehn Infizierte gemeldet. Die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher liegen. Weil die von der UNO-Weltgesundheitsorganisation (WHO) dringend empfohlenen Schutzmassnahmen nicht umgesetzt werden, erhält Nicaragua nicht die benötigte finanzielle Unterstützung von der Weltbank.

Menschen zu Ansammlungen ermutigt

Entgegen der dringlich empfohlenen Ausgangssperre von Seiten der WHO und internationalen Experten fördert die Regierung die Ansammlung von Menschen. Landesweit werden von Seiten der Regierung Anlässe und Aktivitäten durchgeführt. Während den Ostertagen wurden Festlichkeiten und Osterprozessionen organisiert, trotz der dringenden Empfehlung der Kirche, diese zu unterlassen. Bars und Restaurants sollen weiterhin offenbleiben, damit die Bevölkerung und die Touristen feiern können, allem voran an den verschiedenen Touristenstränden.

Besonders schwierig ist die Lage für Staatsangestellte, die vielerorts gezwungen werden, an öffentlichen Aktivitäten wie z.B. an Strassenmärschen für die Förderung der Bildung, teilzunehmen. Wer sich weigert, wird entlassen und mit weiteren Sanktionen bedroht. Zusätzlich werden die Kinder gezwungen, den Schulunterricht zu besuchen, ansonsten werden sie aus der Schule geworfen.

Social Distancing aus Eigeninitiative

Doch die Menschen in Nicaragua haben erfahren, welche Sicherheitsmassnahmen andere Länder eingeführt haben, um ihre Bevölkerung zu schützen. Seit Wochen haben viele Nicaraguaner ihren eigenen Schutz selbst in die Hand genommen. Die meisten von ihnen meiden den Kontakt nach aussen, ausser um das Nötigste zu besorgen. Ihre Kinder behalten sie zu Hause und nehmen auf jeden Fall nicht an öffentlichen Festlichkeiten teil.

Grassierende Armut

Das Nötigste zu besorgen ist für einen grossen Teil der Bevölkerung kaum machbar. Einerseits, weil sie schlichtweg kein Geld haben. Tausende von Tagelöhnern, Müllsammlern oder auch Strassenverkäufern haben ihre minimalen täglichen Einnahmen verloren. Soziale Hilfe gibt es nicht.

Das einsame Leiden von Don Efrain

Anderseits sind Tausende von Menschen wegen ihres Alters oder ihrem schlechten gesundheitlichen Zustand nicht in der Lage, die dringend benötigten Lebensmittel und Medikamente zu besorgen. So zum Beispiel der 67-jährige Don Efrain Antonio Mayorga aus der Hauptstadt Managua. Während vielen Jahren arbeitete er als Elektriker. Doch er erhielt nie eine Pension von seinen Arbeitgebern, noch wurde er von ihnen versichert. Im Jahr 2014 erlitt er einen schweren Arbeitsunfall und brach sich dabei das Becken.

Er wurde operiert, doch seither kann er sich kaum bewegen. Eine Stehstütze hilft ihm, zumindest ein paar Schritte pro Tag laufen zu können. Doch das Laufen strengt ihn enorm an. Bis jetzt kümmerte sich seine Schwester um ihn so gut als möglich. Sie kaufte für wenig Geld gebrauchte Kleider und verkaufte diese wieder auf der Strasse. Mit diesem wenigen eingenommen Geld konnte sie Don Efrain ernähren. Doch seit der Corona-Krise fällt nun auch dieses minimale Einkommen weg. Denn die Leute kaufen nun keine Kleider mehr, sondern geben das wenige Geld für Essen und Medikamente aus.

Don Efrain leidet sehr an Hunger. Trotzdem versucht er jeden Morgen um sieben Uhr aus dem Haus zu gehen, um etwas Bewegung zu haben. Ein paar Meter entfernt von seiner bescheidenen Behausung gibt es einen Stein, auf den er sich setzt. «So oft ich es kräftemässig vermag, gehe ich zu diesem Stein, setze mich hin und tanke etwas Sonne. Doch spätestens um 10 Uhr bin ich wieder zu Hause, wo ich den Rest des Tages alleine verbringe.» Don Efrain konnte es nicht fassen, als die Schwestern beim Verteilen von Lebensmittelpaketen ihn auf der Strasse entdeckten und ihm eines dieser Pakete übergaben.

Hilfe für hunderte von Menschen

Don Efrain ist einer von tausenden von Menschen, die in Nicaragua kaum noch Möglichkeiten haben, täglich etwas Essen zu erhalten. Unsere CSI-Partner vor Ort kümmern sich unermüdlich um unzählige Menschen, besonders um diejenigen, die auf der Strasse leben. Die Pakete, die sie verteilen, enthalten Grundnahrungsmittel wie Reis, Bohnen, Öl, Hafer, Gerste, Kaffee, Milch sowie schützende Hygieneprodukte wie Seife, Desinfektionsmittel, Handschuhe und Masken. Diese Rationen helfen den Empfängern zirka zwei bis drei Wochen über die Runden zu kommen.

Projektleiterin Nicaragua

Hier können Sie für die verletzlichen Opfer der Corona-Pandemie spenden, vielen Dank.

 

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