Bangladesch: Pastoren lernen ihre Rechte kennen und einfordern

Der Pastor und Menschenrechtsaktivist William Samadder eilt seit Jahren angegriffenen Christen zu Hilfe. Mit CSI-Unterstützung werden Pastoren aller Kirchen werden vernetzt und geschult, um ihre Rechte einfordern zu können. Inzwischen wurden 535 Pastoren erreicht.

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Ich befinde mich in Jessore, einer Stadt im Westen von Bangladesch nahe der indischen Grenze. Hier führt unsere bangladeschische Partnerorganisation «Engage Bangladesh» die 13. Pastorenkonferenz durch. In den letzten Jahren haben im ganzen Land mehrtägige Konferenzen stattgefunden, erstmals 2017 in der Hauptstadt Dhaka. 

Fit gegen Verfolgung

Für die Konferenz in Jessore sind wie üblich Persönlichkeiten aus Religion, Politik und Journalismus als Referenten eingeladen. 60 Pastoren – vereinzelt auch Pastorinnen – nehmen an der Konferenz teil. Sie stammen aus den verschiedensten Kirchen, viele sehen sich zum ersten Mal. Es sind einfache Leute, die sich engagiert für ihren Glauben einsetzen, trotz der vielen Hindernisse und Schwierigkeiten, mit denen sie tagtäglich konfrontiert sind. 

Sie alle freuen sich über die Einladung zur Konferenz, weil sie lernen und einüben wollen, wie sie sich in schwierigen Situationen weise verhalten können. Sie erhalten Antworten auf Fragen wie: Welche Rechte haben wir? Wo können wir bei Diskriminierung rechtliche Hilfe bekommen? Wie nutzen wir Social Media geschickt, um auf unsere Anliegen aufmerksam zu machen? Wie können wir einander unterstützen und mit einer Stimme sprechen?

Austausch wird geschätzt

In Gruppenarbeiten tauschen die Pastoren aus, was ihnen Religionsfreiheit bedeutet und auch, was sie konkret zur Umsetzung beitragen können. Sie sind sich einig, dass die in der Verfassung verankerte Religionsfreiheit nicht immer verwirklicht wird. Sie sind sich aber auch einig, dass sie Verstösse nicht untätig hinnehmen wollen. Sie wollen ihre Stimme stärker erheben – gemeinsam: «Wir müssen als Christen einmütig zusammenarbeiten, statt uns gegenseitig zu konkurrenzieren und neidisch aufeinander zu sein», ruft ein Teilnehmer auf. «Wir müssen zusammen beten und Synergien nutzen. Nur so können wir uns für unsere Rechte einsetzen!» 

Viele der Teilnehmer sind Einzelkämpfer in einem schwierigen Umfeld. Für sie ist der Austausch überaus nützlich: «Solche Konferenzen sind wunderbar. Wir lernen uns gegenseitig kennen und schätzen. Wir können Netzwerke bauen, die uns in Zukunft helfen werden.»

Friedhof nur für Hindus

Joshim Das, 25 Jahre alt, ist ein Pastor aus der Region Jessore. Während Bangladesch zum grossen Teil muslimisch ist, leben hier an der Grenze zu Indien viele Hindus. 

Es war im Jahr 2018, als ein älterer Christ aus Pastor Joshims kleinem Dorf verstarb. Da es im hinduistischen Dorf keinen christlichen Friedhof gibt, kam die Frage auf, wo der Verstorbene beerdigt werden sollte. Auf dem Dorf-Friedhof dürfen nur Hindus bestattet werden – Christen und Muslimen wird die Beerdigung nicht gestattet. 

Statt trauern und Abschied nehmen zu können, sah sich die Familie vor ein unlösbares Problem gestellt. Ihnen wurde zwar angeboten, den Hindu-Friedhof zu benützen, doch hätte der Verstorbene zum Hinduismus «zurückkonvertieren» müssen – und mit ihm die ganze Familie. Das kam für sie nicht in Frage.

Pastor Joshim Das wollte auf dem Kirchengrundstück einen kleinen Friedhof einrichten, um den Verstorbenen zu bestatten. Doch das brachte die ganze Dorfgemeinschaft gegen ihn auf. Sie drohten damit, die Christen umzubringen oder sie alle aus dem Dorf zu verbannen. Am Ende blieb der Familie nichts anderes übrig, als ihren Toten in ein weit entferntes Dorf zu bringen. 

«Ich habe Rechte!»

Während der nächsten drei Wochen verliess Pastor Joshim sein Haus nicht, so sehr fürchtete er sich. Er zog auch eine Strafanzeige wegen Verleumdung zurück, weil er wusste, dass die Polizei auf der Seite der Hinduextremisten stand. Inzwischen hat sich die Aufregung etwas gelegt. Doch Joshim nimmt nicht mehr am sozialen Dorfleben teil. Zu gross ist seine Angst, dass das Thema der Bestattung wieder aufflammen und es weitere Probleme geben könnte.

An der Pastorenkonferenz hat Joshim neuen Mut geschöpft. Er weiss jetzt, dass er nicht alleine ist und nicht aufgeben soll. «Ich habe Verfolgung bisher als mein Schicksal akzeptiert», erzählt er mir. Die Konferenz habe ihm die Augen geöffnet, dass er Verfolgung nicht einfach ausgeliefert sei: «Ich lernte, welche Rechte wir Christen in Bangladesch haben und wie ich diese einfordern kann.»

CSI Bangladesch-Projektleiterin

 


Pastorenkonferenzen 2017–2021

Seit November 2017 konnten in Bangladesch bereits 13 Pastorenkonferenzen mit insgesamt 535 Teilnehmenden durchgeführt werden. Inzwischen wurden fast alle Provinzen erreicht. Für 2020 sind acht weitere Konferenzen in neuen Gebieten geplant, für 2021 sogar zehn. Zusätzlich zu den mehrtägigen Konferenzen sind an den bisherigen Konferenzorten eintägige Wiederholungsseminare vorgesehen, die von den Teilnehmenden eigenständig durchgeführt werden. 

Die Pläne für die Pastorenkonferenzen in Bangladesch wurden vor Ausbruch der Corona-Krise gemacht und werden deshalb überarbeitet.

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