
Tausende von Muslimen haben in Jaranwala, Faisalabad, Kirchen in Brand gesetzt und die Häuser von Christen verwüstet. 2500 Menschen aus fünf christlichen Quartieren flohen in Todesangst. Laut der Polizei sollen zwei christliche Männer den Koran geschändet haben. Die Geflüchteten werden von CSI unterstützt.
Am frühen Morgen des 16. August 2023 zog ein wütender Mob randalierend durch das christliche Quartier Issa Nagri in Jaranwala (Faisalabad). Lokalen Behörden zufolge seien zuvor in der Nähe einer christlichen Gemeinde zerrissene Seiten des Korans gefunden worden, mit hineingekritzelten blasphemischen Texten.
Die Nachricht der angeblichen Koranschändung verbreitete sich wie ein Lauffeuer in den sozialen Medien, auf den Strassen und in den Moscheen. In einem der muslimischen Gotteshäuser stachelte ein Fanatiker die Muslime durch den Gebetslautsprecher zum Protest auf: «Christen haben den Koran entehrt und somit Blasphemie begangen. Und ihr geniesst nun euer Frühstück? Was seid ihr nur für Muslime! Ihr hättet sterben sollen, oder zumindest für euren Glauben alle Strassen blockieren sollen!»
Kurz darauf fanden sich tausende Muslime zu Mobs zusammen. Es kam zu gewalttätigen Ausschreitungen in Issa Nagri und vier weiteren christlichen Quartieren von Jaranwala. Die Mobs, die grösstenteils aus Mitgliedern der islamistischen Partei Tehreek-e-Labbaik Pakistan (TLP) bestanden, griffen Kirchen und Privathäuser von Christen an. Es kam überall zu Plünderungen, Möbel wurden auf die Strassen geworfen und angezündet.
In Todesangst flohen die christlichen Bewohner aus ihren Häusern, darunter auch der 31-jährige Yassir Bhatti. Mit Entsetzen erzählt er: «Sie schlugen Fenster und Türen ein. Dann nahmen und warfen sie Kühlschränke, Sofas, Stühle und andere Haushaltsgegenstände heraus, um sie vor der Kirche zu verbrennen.» In ihrer Rücksichtslosigkeit hätten die Angreifer auch Bibeln geschändet und verbrannt. Mehr als 20 Kirchen fielen den wütenden Feldzügen der Mobs zum Opfer. Rund um Issa Nagri wurden die Kirche der Heilsarmee, die presbyterianische Kirche sowie die Shehroon Wala-Kirche und die Allied Foundation-Kirche zerstört und niedergebrannt.
Die Polizei hat über 100 Demonstranten festgenommen und eine Untersuchung der Gewalttaten eingeleitet. Nach Angaben der Behörden ist die Lage weiterhin angespannt, es wurden jedoch keine Todesopfer gemeldet. Pakistans interimistischer Premierminister Anwar ul-Haq Kakar verurteilte die Gewalt scharf und rief zu einem raschen Vorgehen gegen die Verantwortlichen auf: «Ich bin entsetzt über die Bilder aus Jaranwala, Faisalabad. Gegen diejenigen, die gegen das Gesetz verstossen und Minderheiten ins Visier nehmen, werden strenge Massnahmen ergriffen. Alle Strafverfolgungsbehörden wurden aufgefordert, die Schuldigen zu ergreifen und vor Gericht zu stellen.»
Einen Tag nach den verheerenden Brandschatzungen besuchte der pakistanische CSI-Partner Anjum die angegriffenen christlichen Quartiere. Ihm bot sich ein Bild des Grauens: «Überall verbrannte, geplünderte Häuser. Sämtliche 2500 Christen aus allen fünf betroffenen Quartieren sind weg. Niemand ist zurückgeblieben. Dies wäre auch für alle zu gefährlich gewesen. Viele verbrachten die Nacht im Freien.» Einige der Geflüchteten seien am darauffolgenden Tag zurückgekehrt. Doch sie hätten nichts als Verwüstung angetroffen. Die angegriffenen Quartiere werden nun von unzähligen Polizisten und privaten Ordnungshütern bewacht. Ansammlungen von mehr als fünf Personen sind im ganzen Stadtgebiet Jaranwala nicht erlaubt.
CSI bietet den geflüchteten Christen juristische und finanzielle Hilfe.
Die Polizei leitete ein Verfahren gegen zwei christliche Anwohner wegen Verstosses gegen das Blasphemiegesetz ein. Auch wenn in Pakistan bisher noch niemand wegen Blasphemie zum Tode verurteilt wurde, kann eine blosse Anschuldigung zu weit verbreiteten Unruhen führen, die Lynchmorde und Tötungen nach sich ziehen. Einer der schlimmsten Lynchmorde ereignete sich am 4. November 2014. Damals wurde das christliche Ehepaar Shahzad Masih und Shama Bibi wegen angeblicher Gotteslästerung gefoltert und bei lebendigem Leibe in einem Ziegelofen verbrannt.
Reto Baliarda
Quellen: bbc, twit
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