Tausende Christen in Manipur gewaltsam vertrieben

Drei Tage dauerte der Gewaltexzess gegen Christen im Bundesstaat Manipur im Nordosten des Landes. Die von Hindu-Nationalisten angeheizten Unruhen hinterlassen ein Bild des Schreckens: Von den rund 100 Getöteten sind die meisten Christen. 300 Kirchen wurden beschädigt oder zerstört, etwa 50 000 Menschen vertrieben. CSI leistet vor Ort humanitäre und juristische Hilfe.

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Seit längerem herrscht in Manipur ein gespanntes Verhältnis zwischen christlichen Stammesangehörigen, hauptsächlich Zomis und Kukis, und den mehrheitlich hinduistischen Meiteis. Am 3. Mai 2023 führten Zomis, Kukis und andere christliche Ethnien friedliche Kundgebungen in Churachandpur durch. Sie demonstrierten gegen die Forderung der Meiteis nach einer Stammesanerkennung, die es ihnen ermöglichen würde, Land in Stammesgebieten der Zomi und Kuki zu erwerben und reservierte Sitze im Parlament sowie Arbeitsplätze zu erhalten.

Als Reaktion auf die Kundgebung setzten einige Meiteis den Eingang eines Kriegsfriedhofs in Brand, auf dem Kuki begraben sind. Als sie von dem Brandanschlag erfuhren, fuhr eine militante Kuki-Gruppe mit Lastwagen vor und beschädigte einige Meitei-Häuser. Einige Meiteis verbreiteten in den sozialen Medien zudem das Gerücht, Kukis hätten während des Protests Meitei-Frauen vergewaltigt und ein Meitei-Kind getötet.

Folgenschwere Ausschreitungen

Dies brachte das Fass zum Überlaufen: Meitei-Hindus fuhren massive Gewalt gegen die Zomis und Kukis auf, vor allem im Distrikt Imphal und Churachandpur, aber auch in anderen Gebieten von Manipur. Die Angreifer taten dies angeblich mit Unterstützung der hindu-nationalistischen Regierung.

Das Ausmass der Unruhen ist fürchterlich: Etwa100 Menschen wurden getötet, darunter vorwiegend Christen. Rund 300 Kirchen, auch solche der Meitei, und unzählige Häuser wurden beschädigt, zerstört oder niedergebrannt. Nach Einschätzung des indischen CSI Projektmanagers Anugrah Kumar (Name geändert) hat die dreitägige Gewalt gegen Christen in Manipur mehr Schaden angerichtet als die 30-tägige Zerstörung von christlichem Eigentum in Kandhamal im Jahr 2008.

Die Übergriffe nahmen am späten Abend des 5. Mai 2023 ab, nachdem das Militär aufmarschiert war und die Polizei den Befehl erhalten hatte, auf Sicht zu schiessen. Das Militär brachte tausende Menschen an sichere Orte.

Von der Evakuation und der gewaltsamen Vertreibung sind etwa 50’000 Menschen betroffen, darunter 35 000 Kuki-Christen. Viele flohen ins Gebiet Churachandpur. In Imphal selbst leben praktisch keine Christen mehr.

Leben im Camp in Churachandpur: Unter den vertriebenen Christen sind Tausende Kinder. csi
Leben im Camp in Churachandpur: Unter den vertriebenen Christen sind Tausende Kinder. csi

Entsetzliche Brutalität

CSI-Projektmanager Anugrah Kumar reiste Mitte Mai nach Manipurs Hauptstadt Imphal. Er betont, wie angespannt die Lage auch noch zehn Tage nach dem Gewaltausbruch war: «Zu meinem Schutz waren 30 bewaffnete Männer die ganze Zeit in der Gegend von Imphal mit mir unterwegs.» Nach Churachandpur ging er dann allein, da dies ein christliches Gebiet ist.

Gespräche mit geflüchteten Christen in Auffanglagern führten Kumar den Alptraum vor Augen, den diese Menschen erlebt haben. «Viele unserer Häuser im Imphal-Tal wurden in Schutt und Asche gelegt. Die Habseligkeiten, die vom Feuer verschont blieben, wurden geplündert oder zerstört», berichtet eine Christin, die in Imphal festsitzt und auf ihre Evakuierung wartet. Von den Kirchen im Imphal-Tal, die sie gesehen hat, sei nicht eine einzige verschont geblieben. Doch damit nicht genug: «Unsere Bibeln wurden durch Urinieren und Zertreten mit äusserster Respektlosigkeit geschändet!»

Eine andere Frau um die 40 ist ebenso verzweifelt: «Die Angreifer haben all unsere Nutztiere, Schweine, Kühe und Büffel, gestohlen und in ihre Dörfer gebracht. Uns wurde alles genommen, was uns lieb und teuer war.»

Zusammen mit ihrer Familie wartet eine ältere Christin im Vertriebenenlager auf die Evakuierung ins 60 Kilometer entfernte Stammesgebiet von Churachandpur. Sie ist von der Brutalität entsetzt: «Einige Personen, insbesondere ältere und Menschen mit Beeinträchtigungen, die nicht fliehen konnten, wurden bei lebendigem Leib verbrannt.» Sie selbst habe alles verloren und stehe gar ohne Ersatzkleidung da: «Was sollen wir nur tun, wenn uns keine Hilfe erreicht? Wir sind auf Ihre Hilfe angewiesen.»

CSI hilft den Opfern

CSI lässt die vertriebenen Opfer in Manipur nicht im Stich. In Zusammenarbeit mit örtlichen christlichen Organisationen wie die «Meitei Baptist Convention» werden etwa 24 000 Menschen in den Auffanglagern mit Trockennahrung und Hygieneartikeln versorgt.

Wie Kumar berichtet, werde die humanitäre Hilfe teilweise durch Meitei-Hindus torpediert. So wollten Freiwillige in diversen Auffanglagern des Bezirks Senapati Hilfsgüter verteilen. Eine Gruppe von Meitei-Hindus stellte sich ihnen in den Weg, entwendete ihnen sämtliche Hilfsgüter und sperrte die Helfer für einige Stunden in einen Raum ein.

Solchen Vorfällen zum Trotz unternehmen die CSI-Partner vor Ort alles, um den Vertriebenen Hilfe zu bringen. Zugleich wollen sie sich auch juristisch für die Opfer einsetzen. So beabsichtigen sie, im Namen der Christen, die ihre Häuser und Kirchen durch die Brände und den Vandalismus verloren haben, Klage zu erheben. Ziel dieser Intervention ist es, den vertriebenen Christen ihr Eigentum zu sichern, sie für ihre Verluste zu entschädigen und sicherzustellen, dass die Täter bestraft werden.

Religion spielt eine grosse Rolle

Die verheerenden Angriffe auf die christlichen Stämme in Manipur sind eine der schlimmsten Kampagnen gegen Christen in Indien überhaupt. Auch viele Christen der Meitei wurden Opfer ihrer hinduistischen Stammesangehörigen. Die Gewalt in Manipur ist zum ersten Mal religiös motiviert. Bisher hatte sich der Konflikt weitgehend auf die ethnische Zugehörigkeit konzentriert.

Zunehmende Benachteiligung der christlichen Stämme

Die vorwiegend hinduistischen Meiteis leben hauptsächlich im Imphal-Tal, während die christlichen Stämme in den umliegenden Hügeln wohnen. Hindus machen in Manipur etwa 50 Prozent der Bevölkerung aus, Christen rund 25 Prozent. Die Meiteis beherrschen das politische und wirtschaftliche Geschehen des kleinen, nordöstlichen Bundesstaats. Seit dem Wahlsieg der hindu-nationalistischen Bharatiya-Janata Partei 2017 treibt Ministerpräsident N. Biren Singh seine «Anti-Stammes-Agenda» voran. So hat er neu einen Grossteil der Gebiete, wo die Siedlungen der christlichen Stämme liegen, als «reservierte Wälder» klassifiziert. Die Bewohner, die seit Generationen dort leben, bezeichnet er nun als illegale Einwanderer.

Berichten zufolge ordnete Singh auch den Abriss von Kirchen in der Hauptstadt Imphal an, weil sie angeblich auf Regierungsland gebaut worden seien.

Im April 2023 hatte der Oberste Gerichtshof von Manipur die Regierung des Bundesstaates angewiesen, einem Antrag der Meitei-Gemeinschaft stattzugeben. Dieser hatte verlangt, dass den Meiteis besonderer Schutz gewährt wird, einschliesslich reservierter Sitze im Parlament, spezifische Unterstützung in den Bereichen Bildung und Arbeit sowie Schutz des Eigentums.

Anugrah Kumar, Reto Baliarda

Hier können Sie für die vertriebenen und notleidenden Christen in Manipur spenden, vielen herzlichen Dank.

Gewalt in Manipur: Opfer berichten über ihre traumatischen Erlebnisse

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