«Alle Kirchen wurden von der Regierung in Khartum zerstört»

Franco Majok, CSI-Projektmanager für den Südsudan, besuchte im Februar 2023 das Nuba-Gebirge im Sudan. In dieser Region leben vorwiegend Christen, die von der konservativ-muslimischen Regierung in Khartum bedrängt werden. Im Interview erklärt Majok, was ihn bewogen hat, in diese Region zu reisen und wie CSI den Menschen dort helfen will.

Nuba-Berge

Nuba-Christen brauchen Hilfe: Franco Majok von CSI besuchte ihre Dörfer in den sudanesischen Nuba-Bergen. csi

 

CSI: Die Nuba-Berge in Süd-Kordofan liegen an der Grenze zu Südsudan und haben einen beträchtlichen christlichen Bevölkerungsanteil. Warum ist diese Region Teil des Sudan und nicht des Südsudan?

Franco Majok: Die Nuba-Berge gelten historisch nicht als Teil des südlichen Sudan. Im Verlauf des zweiten sudanesischen Bürgerkriegs (1983-2005) wurden das Nuba-Gebirge zum Kriegsschauplatz mit entsetzlichen Folgen für die Zivilbevölkerung. Als 2005 ein Friedensabkommen zustande kam, wurde dem südlichen Sudan der Weg zu einem Unabhängigkeitsreferendum geboten, sofern sich die Kriegsparteien nicht über ein Modell für einen vereinigten Sudan einigen sollten. Zwar wurde ein spezielles Protokoll für Süd-Kordofan ausgehandelt, aber die Möglichkeit, sich bei einem allfälligen Unabhängigkeitsreferendum dem Süden anzuschliessen, wurde ausgeschlossen.

2011 brach ein Krieg in Süd-Kordofan aus, warum?

Dies hängt zum einen mit der fehlenden Selbstbestimmung Süd-Kordofans zusammen. Und zum andern gab es Verstösse und Streitigkeiten bei den Gouverneurswahlen im Frühjahr 2011. Ferner hatte die sudanesische Regierung der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA), die seit dem späten 1980er Jahren im Nuba-Gebiet Fuss gefasst hatte, ein Ultimatum gestellt, ihre Truppen bis Juni 2011 aus dem Staat zurückzuziehen. Daraufhin griffen die sudanesischen Streitkräfte die Stellungen der SPLA an, womit ein brutaler Krieg ausbrach, unter anderem mit willkürlichen Luftangriffen und den Einsatz von Hunger als Kriegswaffe. In vielerlei Hinsicht war dieser Konflikt die Fortsetzung des Bürgerkriegs mit dem Unterschied, dass ab Juli 2011 der südliche Nachbar unabhängig geworden war.

2016 trat ein Abkommen über die Einstellung der Feindseligkeiten in Kraft. Doch dieses steht auf wackligen Beinen. Ich denke, das Misstrauen der Bevölkerung in Süd-Kordofan allgemein und der Christen im Besonderen ist gross. Die sudanesische Regierung hat bisher keine ihrer Vereinbarungen eingehalten.

Es kommt immer wieder zu Angriffen, zuletzt gegen die Nuba in Kadugli, der Hauptstadt von Süd-Kordofan, die unter der Kontrolle der sudanesischen Streitkräfte steht. Wie es angesichts der erneuerten Instabilität im Sudan weitergehen wird, ist ungewiss.

Im Februar 2023 waren Sie zum ersten Mal in Süd-Kordofan. Welches Gebiet haben Sie besucht?

Ich habe den Bezirk Tobo in Süd-Kordofan besucht. Es handelt sich um ein Gebiet, in dem überwiegend Christen aus den Nuba-Bergen leben.

Was war der Grund für Ihren Besuch?

Ich wollte den Kontakt zu bedrohten Christen in den Nuba-Bergen vertiefen. Sie brauchen unsere Solidarität! Niemand weiss, was mit ihnen in Zukunft geschehen wird.

Ihr genereller Eindruck von ihren Erlebnissen in den Nuba-Bergen?

Die Bewohner sind sehr arm und leben äusserst einfach, ohne Aussicht auf Fortschritte. Sie suchen verzweifelt nach Hilfe. Es gibt nur wenige Schulen und der Zugang zu medizinischer Versorgung ist begrenzt. Alle Kirchen wurden von der Regierung in Khartum beschädigt.

Zudem leiden die Menschen gegenwärtig an Unterernährung wegen der schlechten Ernte in der letzten Regenzeit. Wird in den nächsten Monaten keine Hilfe geleistet, könnte es im Nuba-Gebirge wieder zu einer humanitären Katastrophe kommen.

Wie hilft die CSI den Menschen, die Sie getroffen haben?

Die Menschen brauchen Lebensmittel, sauberes Wasser, medizinische Hilfe und Unterstützung in der Landwirtschaft. Diese Hilfe wird CSI leisten. Wir starten die Unterstützung im Bezirk Tobo. Unser Ziel ist es, etwa 2000 Menschen zu erreichen. Wir haben vor Ort vertrauenswürdige Projektpartner, durch die wir schon in den vergangenen Jahren Nahrungsmittel an Bedürftige im Nuba-Gebirge zukommen lassen konnten.

Welche politische Lösung sehen Sie für die Christen in Süd-Kordofan?

Entweder kommt eine säkulare Regierung im Sudan an die Macht, die Frieden bringt, oder es kommt ein Referendum zustande, wodurch sich die beiden Bundesstaaten vom Sudan abspalten würden. Bleibt die gegenwärtige Situation bestehen, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis wieder Krieg ausbricht.

Interview: Reto Baliarda

Hier können Sie für die Christen in den sudanesischen Nuba-Bergen spenden. Herzlichen Dank.

Christen aus den Nuba-Bergen berichten über ihr hartes Leben.

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